Mensch · Krone der Schöpfung

Mensch · Krone der Schöpfung · Swami Sivananda · Fabel

Ein schlauer Fuchs war verärgert über die Verherrlichung des Menschen und seine erhabene Stellung in Gottes Schöpfung.

Er dachte bei sich: »Bin ich in irgendeiner Weise weniger intelligent, als der Mensch? Oder ist er etwa weniger gerissen als ich, wenn er etwas ergattern will? Er ist genauso ein Lebewesen wie ich und ich bin sogar noch zufriedener als er. Denn ich trage keine kostspieligen Kleider, die mit jeder Jahreszeit wechseln.«

»Ich ertrage geduldig Hitze und Kälte. Ich brauche keinen Schirm, der mich vor dem Regen schützt oder eine Sonnenbrille, die im Sommer meine Augen vor dem zu grellen Licht der Sonne schützt. Ich brauche weder ein Auto noch einen Zug, um mich von Ort zu Ort zu bewegen.«

»Warum also sollte der Mensch da als uns überlegen gelten, wenn wir Tiere doch diese und noch viele andere edlen Eigenschaften besitzen. Ich werde dafür sorgen, dass diese Ungerechtigkeit endlich aufhört.«

Der Fuchs ging nun überall hin, sprach mit den Tieren und forderte sie auf, mitzumachen. So versammelte er eine große Anzahl von allen Waldbewohnern. Geschlossen gingen sie alle zum Elefanten.

Der weise Elefant aber sagte ihnen: »Brüder, zweifelsohne ist da etwas Wahres an dem was ihr sagt. Lasst uns also zu einem anderen noch weiseren Waldbewohner gehen und hören, was der dazu meint. In jener Hütte dort wohnt ein noch berühmterer Weiser. Lasst uns zu ihm hin gehen und ihm die Sache vortragen.« Mit dem Vorschlag des Elefanten waren alle einverstanden.

Als sie dann beim Weisen waren, sprach zuerst der Hund: »Swami (Ehrentitel), du kennst mich gut. Ich bin das Symbol der Dankbarkeit. Auch wenn mich ein Mensch tausend Mal schlägt und mir nur ein einziges Mal einen Bissen gibt, so bin ich ihm ein Leben lang dankbar und bereit in seinem Dienst mein Leben zu lassen.«

»Aber der Mensch vergisst tausende Dienste, die man ihm getan hat und erinnert sich nur an das eine einzige Unrecht, das vielleicht von seinem Freund begangen wurde. Er ignoriert alle Hilfe, die er schon bekommen hat und ist bereit Freunde und Verwandte zu morden, wenn ihm auch nur ein einziges Mal, Unrecht geschah, selbst wenn dieses ohne Absicht geschah. Oh, mein Herr, wie kann man da sagen, dass der Mensch dem Tier überlegen sei?«

Die Kuh trug folgendes vor: »Der Mensch führt mich nur zum Grasen auf die Weide. Manchmal gibt er mir auch nur ein wenig Stroh oder Spreu. Ich aber gebe ihm dafür nahrhafte Milch. Manchmal nimmt er mir sogar meine Kinder weg, damit er sich und seine Kinder ernähren kann. Obwohl ich ihn und seine Familie mit Milch füttere, gibt er mir nur in einem übel riechenden und schmutzigen Stall hinter seinem Haus Unterkunft.«

»Und wenn ich dann alt und ausgetrocknet bin und keine Milch mehr geben kann, werde ich sogar noch schlechter behandelt. Ich werde vertrieben und an einen Metzger verkauft. Das ist der Mensch, der in den Himmel gehoben wird! Mein Herr, sagt mir bitte, wieso?«

Jetzt war die Krähe an der Reihe: »Welcher Mensch hat schon diese Eigenschaft, die ich habe, mein Herr? Auch wenn mir nur ein kleiner Krümel hingeworfen wird, so krähe ich und rufe meine Brüder und Schwestern, um den Krümel mit ihnen zu teilen. Der Mensch jedoch tut genau das Gegenteil. Wie viel er auch hat, er hortet immer mehr und strengt sich noch mehr an, seinem Nachbarn auch das letzte Stückchen Brot wegzunehmen. Wie kann dieser selbstsüchtige und gierige Mensch hoch über mich gestellt werden?«

Der Fisch flüstere: »Oh Weiser! Ich kann zwar den Menschen nicht als mir unterlegen bezeichnen, aber ich nenne ihm schlicht töricht! Ich persönlich tue ihm nichts. Ich diene ihm sogar, indem ich seine Weiher, Zisternen, Seen und Flüsse sauber halte. Ich fresse den Schmutz, den er ins Wasser wirft. Aber statt einen solchen Wohltäter zu erhalten, fängt mich dieser törichte Mensch, tötet mich und isst mich sogar auf! Kann ein so törichter Mensch deiner Ansicht nach mir überhaupt überlegen sein?«

Das Maultier rief: »Oh mein Herr! Der Fisch hat Recht. Schau dir auch mein bedauernswertes Los an. Ich bin zwar nur ein Lasttier, aber ich bin bekannt für die göttliche Eigenschaft der Geduld. Ich ertrage nicht nur geduldig Beschimpfungen und Schläge. Ohne meine Dienste würden die Menschen in den Bergen umkommen, da ihnen das nötigste zum Leben fehlen würde. Ich trage ihre Lebensmittel und viele andere Güter. Und was ist meine Belohnung? Schläge und noch mehr Schläge! Wie kann dieser Mensch mir überlegen sein?«

»Sagt ihm alles, Freunde, und erzählt dem Weisen auch von euren guten Eigenschaften und euren übernatürlichen Fähigkeiten«, mischte sich der schlaue Fuchs ins Gespräch ein.

»Herr«, sagte der Hirsch, »das Leder auf dem ihr sitzt und über Gott und die Welt meditiert, gehört zu meiner Art. Habt ihr je gehört, dass die Haut des Menschen zu irgendetwas nütze gewesen wäre? Die Schönheit der Augen einer Jungfrau werden mit den meinen gleichgesetzt und mein anmutiges Geweih ziert die Räume des Menschen.«

»Wie meine Federn auch«, rief jetzt der Pfau, »sie sind so reizvoll, dass selbst der König seinen Turban damit schmückt. Andere verwenden sie als Anhänger oder als Fächer, wenn ihnen zu heiß ist. Nie hat man je gehört, dass Haut oder Haare des Menschen so verwendet worden wären.«

»Kann sich irgendein Mensch eines solch wunderbaren Geruchssinns wie dem meinen rühmen?«, fragte der Hund.

»Kann sich irgendein Mensch einer solchen Sehkraft wie der meinen rühmen?«, fragte der Adler

»Kann irgendein Mensch bei Nacht und bei Tag so gut sehen wie ich?«, fragte die Katze.

Zuletzt sprach der Elefant: »Mein Herr, ich kann Großartiges vollbringen. Ich habe nicht nur einen riesigen Körper, es gibt auch unzählige Geschichten über meine Intelligenz. Meine Stoßzähne und Knochen werden zu wunderschönen Elfenbeinbildern und Elfenbeinfiguren verarbeitet. Alles was wir gesagt haben, ist wahr. So sage uns bitte, wieso soll der Mensch uns überlegen sein? Ich stimme mit den Argumenten meiner Brüder voll überein, aber ich denke, er muss doch noch etwas anderes geben, einen weisen Grund!?«

Nun warteten alle Tiere geduldig auf die Antwort des Weisen.

Der Weise antwortete sodann: »Hört meine Brüder des Dschungels! Alles was ihr gesagt habt, ist wahr. Aber Gott hat dem Menschen einen sechsten Sinn gegeben, den Intellekt und die Erkenntnis und die Fähigkeit zur Unterscheidung von Recht und Unrecht, Wahrheit und Unwahrheit und Gut und Schlecht. «

»Ich alle seid vom Instinkt geleitet. Der Mensch aber kann unmittelbare Erkenntnis erlangen. Er kann seine Instinkte beherrschen, wenn er will, und durch die unmittelbare Erkenntnis auch Gott erreichen.«

»Und wenn er das nicht tut?« fragte der schlaue Fuchs

»Wenn der Mensch das nicht tut, ist er natürlich viel weniger als ein Tier. Aber wenn er es tut, ist er allen anderen Schöpfungen bei weitem überlegen« sagte der Weise.

Und die Tiere gingen zufrieden von dannen.

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Autor: Swami Sivananda

Bewertung des Redakteurs:
4

Es gibt nichts auf der Welt, das einen Menschen so sehr befähigt, Schwierigkeiten zu überwinden, als das Bewusstsein eine Aufgabe zu haben.

Viktor Frankl