Die drei Gläser · Kurt Tucholsky

Die drei Gläser ~ Kurt Tucholsky ~ Sekt Wein Bier

Sehen Sie, für solche Gläser ist in Deutschland schon viel Böses angerichtet worden. Sie glauben nicht, was Männer und Frauen alles tun oder unterlassen, nur um aus diesen Gläsern trinken zu können.

Es ist schon merkwürdig, welchen Klang das Wort Sekt noch immer bei uns zulande hat. Als sei es etwas Besonderes. Als sei Sekt der Inbegriff des feineren Lebens. Das muss wohl aus den Romanen und natürlich aus den Filmen stammen, wo die besseren Herren bei ‚Sekt und Weibern‘ hei! ein tolles Leben führen. Ist es wirklich so toll ?

Ganz abgesehen davon, dass der wirkliche Weinkenner jeden Sekt für einen guten alten Rheinwein oder für einen 1911er Burgunder hingibt . . . es ist allemal so, dass die Leute nicht den Sekt besitzen, sondern er sie. Er hebt sie. Sie glauben, nun seien sie etwas Besonderes; kleine Bürgerfrauen bekommen plötzlich spitzbübisch, glänzende Augen und sind scheinbar zu allem fähig . . . und was erst geschieht, wenn die sozialdemokratischen Funktionäre an den Sekt heran gelassen werden, das haben wir ja alle erlebt.

Sie kippen um. Und ersaufen in ihm. Dabei sind es keine Trinker, das wäre halb so schlimm – es ist viel schlimmer: sie lassen sich überwältigen: dass er, Gustav Kuntze, nun richtigen Sekt trinkt, von dem er so oft gelesen hat . . . schmeckt eigentlich ganz gut, das Zeug, wie? Prost!

Vielleicht muss man sehr weise sein, um dem nicht zu erliegen. Oder aber – und das ist ein noch probateres Mittel -: man muss wohl durch den Sekt hindurch gegangen sein. Wer in seiner Jugend Sekt hat trinken können und dann ein vernünftiger Mann geworden ist, der ist nicht mehr gar so wild nach dem Kram – auch nicht nach dem, was nun einmal der Überlieferung nach mit ihm zusammen hängt. Er kennt es, lächelt und geht seine Wege.

Denn es ist soviel Langeweile in diesen Gläsern . . . Radau ist noch kein Vergnügen, das ist ein Aberglaube. Außerdem adelt das Getränk nicht – das Wort »Weinabteilung« ist eines der aller abscheulichsten deutschen Worte, die es überhaupt gibt.

Bei uns sieht die Eleganz vielfach so aus wie diese Weinabteilungen der Bierrestaurants: künstlich hochgeschraubt, nach oben gedreht, durch eine Barriere vom gemeinen Volk abgeschlossen, ohne den Zaun wäre alles aus. Man kann nicht einmal sagen, dass die ‚Bourgeoisie‘ prasst – das ist ein Schlagwort. Natürlich jammert sie und führt dabei ein ganz gutes Leben; aber sie prasst nicht. Sie macht nur Lärm; sie bläst sich auf; versteht dabei aber nicht, das Leben zu genießen – ihr Leben vielleicht – das Leben nicht. Man muss sich das ansehen, wie sie sich amüsieren:

Vollgepfropfte Hotels, wo das Essen liederlich zubereitet wird, aber wunderbar fein aufgemacht auf den Tisch kommt, die deutsche Küche ist eine Augenweide, aber mehr auch nicht; diese verschnittenen Weine, gezuckert und verfälscht, sinnlos überteuert – Deutsche, trinkt deutschen Wein! – und das alles überglänzt von den kleinen, roten Lämpchen der Weinabteilung, darin die Menschen wirklich glauben, sie seien nun etwas Besseres, weil sie kein Glas Bier vor sich stehen haben.

Solche Albernheiten findet man hauptsächlich in jenen deutschen Provinzen, in denen es keinen offenen Wein gibt; Weinländer sind von Natur aus demokratischer, vernünftiger und einfacher. Wenn der Mann auf der Straße seinen Schoppen Wein zum Frühstück trinken kann, dann hebt der Wein keinen mehr so leicht in eine höhere soziale Schicht.

An diesen drei Gläsern aber sind schon viele zu Verrätern ihrer Sache geworden.

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Autor: Kurt Tucholsky

Bewertung des Redakteurs:
4

Wohlwollen ist eine weit über alle anderen Pflichten hinausgehende Plicht des Menschen, weil sie allen Lebewesen, auch Tieren und Pflanzen, entgegen gebracht werden sollte.

Aventin