Die Belagerung Trojas

Die Belagerung Trojas · Griechische Sage · Odyssee

Am Anfang des unglückseligen Krieges um Troja standen Zwietracht und weibliche Eitelkeit. Drei Göttinnen, Hera, Aphrodite und Athene, stritten sich darum, welcher von ihnen der Preis der Schönheit gebühre.

Eris, die Göttin der Zwietracht, hatte diesen Streit entfacht, weil man sie zur Hochzeit des phrygischen Königs Peleus und der Meernymphe Thetis nicht eingeladen hatte. Damals warf sie einen goldenen Apfel unter die fröhlich Feiernden mit den Worten: »Für die Schönste«!

Jede der drei Göttinnen hatte den Preis für sich beansprucht, und nach Zeus Gebot sollte Paris, ein Sohn des Trojanerkönigs Priamos, den Streit schlichten. Der Jüngling sprach ihn der Liebesgöttin Aphrodite zu; denn sie verhieß ihm die schönste Frau der Welt als Belohnung.

Hera und Athene aber hatte Paris sich durch seinen Schiedsspruch zu unerbittlichen Feindinnen gemacht. Paris setzte zu Schiff nach Griechenland über und weilte dort lange als Gastfreund des Königs Menelaos in Sparta. Aber er vergalt die freundliche Aufnahme mit schändlichem Undank; denn er verführte des Königs Gattin Helena, die als die schönste Frau weit und breit galt, und floh mit ihr in seine troische Heimat.

Dieser Frevel gegen das heilige Recht der Gastfreundschaft empörte die Fürsten Griechenlands sehr. Willig ließen sie sich deshalb vom schwer gekränkten Menelaos bestimmen, ihn auf einem Rachefeldzug gegen Troja zu begleiten.

So versammelten sich dann der greise, vielerfahrene Nestor und der listenreiche Odysseus von Ithaka, der göttergleiche Achilleus, der starke Held Diomedes und der lanzengewaltige Ajax, der greise Seher Kalchas und viele tapfere Königssöhne, die sich nach kühnen Kriegstaten und Abenteuern sehnten.

Dem mächtigen Agamemnon, König von Mykene und Bruder des Menelaos, übertrug man den Oberbefehl über das gewaltige Heer. In Aulis, einem Hafen in der Bucht von Böotien, lagen mehr als tausend Schiffe zur Ausfahrt bereit. Doch vergeblich wartete man auf günstigen Wind. Lähmende Stille lag über dem Hafen, und das versammelte Kriegsvolk mit Schiffen, Ross und Wagen war zu untätiger Muße verurteilt.

»Göttlicher Wille hindert die Ausfahrt«, erklärte der Seher Kalchas, den sie in ihrer Ratlosigkeit befragten, »denn Agamemnon hat auf der Jagd eine heilige Hirschkuh der Artemis erlegt. Nun verlangt die Göttin Agamemnons älteste Tochter Iphigenie als Sühneopfer!« Nach hartem inneren Kampf gab König Agamemnon seine Einwilligung, dass man Iphigenie nach Aulis hole. Man führte sie zum Altar und die Göttin zeigte sich jetzt durch Agamemnons Gehorsam versöhnt.

Als der Priester zum Todesstoß gegen das unschuldige Opfer ausholte, entführte Artemis das Mädchen in einer Wolke und schob eine Hirschkuh an seine Stelle. Iphigenie wurde nach Tauris entrückt, der Göttin als Priesterin zu dienen. Klytemnaistra aber, Iphigeniens Mutter, verzieh ihrem Gatten niemals, dass er ihr Kind auf dem Altar hatte opfern wollen.

Günstiger Fahrtwind führte nun die Griechenflotte aus dem Hafen, und in wenigen Tagen landeten die Schiffe an Trojas Küste. Dort lag auf hohem Hügel die fest gebaute Stadt, die der greise König Priamos beherrschte. Mit fünfzig Söhnen hatten ihn die Götter gesegnet, von denen Hektor als der ruhmreichste Held bekannt war.

Jahr um Jahr wogte nun der erbitterte Kampf hin und her. Aber vergeblich forderten die Griechen ihre Gegner durch wilde Schmähreden zum offenen Kampf heraus, vergeblich berannten sie die turmbewehrten Mauern der Stadt, hinter denen die Troer sich in Sicherheit wussten.

Unzufriedenheit verbreitete sich im Schiffslager, das die Griechen am Ufer des Skamandros errichtet hatten. Zehn Jahre währte schon der zermürbende Krieg, und nun schien sich das Glück endgültig von den Angreifern abzuwenden. Denn zur Not des Krieges, die in jedem die Sehnsucht nach der Heimat weckte, kam auch noch ein wilder Zwist zwischen den beiden mächtigsten Männern des Griechenheeres, Agamemnon und Achilleus, die sich bitter feind geworden waren.

Achilleus hatte auf einem der vielen Beutezüge, bei denen die Griechen das Land ausplünderten, ein Städtchen erobert und dabei die schöne Chryseïs gewaltsam entführt, die er Agamemnon als Sklavin überließ. Tief bekümmert erschien nun der Vater des Mädchens, Chryses, ein frommer Priester des Apollon, mit reichen Lösegeschenken im Griechenlager, um seine Tochter freizubitten.

Aber Agamemnon wollte nicht von der schönen Jungfrau lassen. Ohne Scheu vor dem heiligen Gewand des Priesters fuhr er zornig auf und verjagte den Alten. »Lässt du dich noch einmal hier vor mir sehen«, drohte er, »so werden dich nicht Stab noch Priesterbinde schützen!«

Klagend und in Verzweiflung irrte der Greis am Gestade des Meeres umher. In inbrünstigem Gebet hob er die Hände zu Apollon, dem er so lange in Treue gedient hatte, und bat ihn um Hilfe und um Rache. »Vergilt mit deinen Geschossen«, schloss er sein Gebet, »die Schmach, die Agamemnon deinem Priester angetan hat.«

Der Gott erhörte sein Gebet. Er verließ den Göttersitz Olympos, setzte sich in einiger Entfernung von den Schiffen nieder und richtete seine todbringenden Pfeile auf das Heerlager der Griechen. Wen Apollons Geschoss traf, den raffte die tödliche Pest dahin. Neun Tage wütete schon die schreckliche Seuche, ringsum im Lager loderten die Scheiterhaufen, auf denen die Toten verbrannt wurden. Mit Entsetzen sahen die Griechen ihre Heeresmacht dahinschwinden. Sollte dies das Ende ihres ruhmvollen Kriegszuges sein?

Erregt drängte sich das Kriegsvolk auf der Lagerversammlung, die Achilleus einberufen hatte. Wen mochte die Schuld treffen an dem schrecklichen Unglück? Immer wieder klang diese Frage auf. Kalchas, der Opferpriester, gab die Antwort: »Erst dann wird die Pest von uns weichen«, so verkündete er, »wenn Agamemnon dem Priester des Apollon die geraubte Tochter zurückgegeben hat!«

In grimmigem Zorn vernahm der Fürst der Griechen den göttlichen Willen. »Ich füge mich« erklärte er schließlich voller Unmut; »doch als Ersatz verlange ich die schöne Briseïs, die Achilleus einst als Anteil der Beute erhalten hat!«

So entbrannte der erbitterte Streit zwischen den beiden Fürsten. Heftige, schmähende Worte gingen hin und her, schon griff Achill im blinden Zorn zum Schwert. Niemand sah, dass es die göttliche Athene war, die ihn vor unbesonnenem Tun bewahrte.

»Besänftigt euren Zorn und haltet Frieden!« mahnte der viel erfahrene Nestor. Und wirklich, Achill ließ sich bewegen, die Forderung des stolzen Agamemnon zu erfüllen. Aber in Verbitterung und Groll hielt er sich fortan vom Kampf zurück; finster vor sich hinstarrend, saß er im Zelt. Er klagte Thetis, seiner göttlichen Mutter, das ihm angetane Unrecht. Sie versprach ihm ihre Hilfe und erwirkte bei Zeus, dass er den Griechen so lange den Sieg versage, bis sie das Unrecht, das sie ihrem Sohn zugefügt hatten, einsähen.

Alles Glück war vom Griechenheer gewichen, seit der strahlende Achilleus sich vom Kampf fernhielt. Das Ringen wurde erbitterter als zuvor; denn aus dem Schutz ihrer Mauern wagten sich die Troer immer häufiger und kühner zur offenen Feldschlacht hervor, und immer mehr schwand bei diesen Kämpfen das Kriegsglück der Griechen.

Schon vernahm man Stimmen, die zur Abfahrt rieten. War es nicht besser, den nutzlosen Kampf aufzugeben, da ihnen die Götter offenbar die Eroberung der Stadt versagten?

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Autor: Griechische Sage

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