Hektors Tod · Odyssee

Hektors Tod · Trojanischer Krieg · Griechische Sage · Odyssee

Die Morgenröte stieg golden herauf, als Thetis mit den Waffen, die Hephaistos geschmiedet hatte, zurückkehrte. Voll Staunen und grimmiger Freude stand Achill vor dem Wunderwerk aus der Hand des Gottes. Es war die herrlichste Rüstung, die jemals ein Held getragen hatte.

Achilleus schritt durch das Schiffslager und scheuchte die Griechen mit lautem Weckruf vom Lager auf. Wie freuten sich die Helden, die so lange vermisste Stimme zu hören! In aller Eile erschienen sie auf dem Versammlungsplatz. Aufgeregt scharten sie sich um ihre Anführer. Als endlich Ruhe eingetreten war, wandte sich Achilleus an Agamemnon: »Sohn des Atreus,«, sprach er, »lass uns den Streit beenden. Das Vergangene mag vergessen sein!«

»Auch ich bin bereit zu büßen, was ich gefehlt«, erwiderte Agamemnon, »ich biete dir Sühne, Achilleus, soviel du begehrst!« Glücklich waren die Krieger zu hören, dass Achill sich nicht mehr fernhielt und dass er nun zum Kampf drängte. Willig reichte Agamemnon ihm die Hand zur Versöhnung und ließ alle Beutestücke, die man Achill einst vorenthalten hatte, in dessen Zelt zurücktragen. Dann rüstete sich Achilleus mit den göttlichen Geschenken des Hephaistos und bestieg seinen Streitwagen.

Damit Achilleus nun nicht gegen das von den Göttern verhängte Schicksal Troja auf der Stelle eroberte, erlaubte Zeus jetzt den olympischen Göttern, sich am Kampf zu beteiligen und, nach eines jeden Gesinnung, den Griechen oder den Trojanern zu helfen. Im Getümmel des heranziehenden Trojanerheeres versuchte Achilleus, Hektor zu erspähen und ihn zum Zweikampf zu stellen.

Als er ihn nirgends entdecken konnte, stieß er mitten in die Reihen der Troer hinein und trieb sie in Scharen vor sich her in die Fluten des Skamandros. Bald war der Fluss angefüllt mit den Leichen der Erschlagenen, bis der Flussgott Skamander ingrimmig dem Wüten des Helden Einhalt gebot. Von der Höhe der Stadtmauer beobachtete Priamos die Flucht der Seinen und ließ denen, die zur Stadt zurück flohen, die schützenden Tore öffnen.

Hektor aber blieb auf dem Kampfplatz, ob Mutter und Vater ihn auch unter Tränen baten, sich zu schonen. Scham um die Flucht seiner Landsleute und wilde Streitlust trieben ihn, sich mit dem besten der Griechen im Kampf zu messen. Schon stürmte Achill heran, dem Kriegsgott gleich. Als Hektor seinem schrecklichen Blick begegnete und das Hohngeschrei vernahm, verlor er plötzlich allen Mut, und er wandte sich zur Flucht.

Wütend verfolgte Achill den Fliehenden und jagte ihn um die Stadt. Dreimal umkreisten sie die Mauer, und wenn Hektor im Tor Schutz zu finden hoffte, so schnitt der schnelle Achill ihm in diesem Rennen auf Leben und Tod den Fluchtweg ab. Auf beiden Seiten ließen die Kämpfenden die Waffen sinken und starrten auf das erregende Schauspiel.

Auch die Götter im Olymp verfolgten mit Anteilnahme den Kampf. Keiner von ihnen durfte helfend eingreifen, denn Hektors Stunde war gekommen. Zeus selber nahm die goldene Schicksalswaage zur Hand und legte zwei Todeslose hinein. Da sank die Waagschale des troischen Helden tief zum Schattenreich hinab.

Endlich stellte sich Hektor zum Streit. Er wollte mit seinem Gegner einen ehrenvollen Entscheidungskampf ausmachen. Doch Achill fuhr ihn heftig an. »Nichts von Verträgen!« schrie er. »Beschwört etwa der Wolf mit dem Lamm einen Vertrag, ehe er es zerreißt?« Da griff Hektor zur Lanze. Er zeigte sich des Rufes würdig, der ihn seit je den tapfersten der Troer nannte. Der göttlichen Kraft des Griechen aber musste Hektor erliegen.

Als er, von Achills Lanze zu Tode getroffen, in den Staub sank, umfingen ihn das Jubelgeschrei der Griechen und die Hass erfüllten Triumphworte des unversöhnlichen Feindes. Sterbend bat er den Sieger: »Lass mich nicht den Hunden zum Fraße liegen, edler Achilleus, sondern gib mich meinen Eltern zurück, dass sie mich ehrenvoll bestatten!«, »Schweig und stirb!« herrschte Achill ihn an. »Kein Lösegeld wird hoch genug sein, dich freizukaufen!«

Er kannte kein Erbarmen mit dem gefallenen Gegner, in dem er den Mörder seines Freundes sah. In unmenschlichem Rachedurst band der grausame Sieger Hektors Leichnam an seinen Streitwagen und schleifte ihn in wildem Jagen durch den Sand und Staub, rings um Trojas Mauern!

Welch ein Anblick war das für die greisen Eltern! Hekuba riss sich, wie von Sinnen in ihrem Mutterschmerz, den Schleier vom Haupt; Priamos ließ sich nur mit Mühe von seinen Getreuen zurückhalten, wollte zum Tor hinauszustürzen, um der schimpflichen Behandlung des Gefallenen Einhalt zu gebieten.

Als letzte erfuhr Andromache das grausige Geschehen. Sie eilte auf die Mauer – und ein Blick offenbarte ihr das Entsetzliche: vor ihren Augen wurde der geliebte Gatte von Achills Rossen durch den Sand geschleift. Dunkelheit umhüllte ihre Sinne, in tiefer Ohnmacht sank sie zu Boden. Das Antlitz zur Erde gekehrt, lag Hektors Leiche unbestattet im Griechenlager, während Achilleus seinem toten Freund Patroklos eine prunkvolle Totenfeier rüsten ließ.

Das ganze Heer gab dem Toten in feierlichem Zug das Geleit bis zu dem gewaltigen Scheiterhaufen, der am Meeresstrand errichtet war. In goldener Urne setzte Achill die Asche des Freundes bei. Auf die Bestattung folgten Leichenspiele zu Patroklos Ehren, und in wildem, ingrimmigem Hass bestieg Achill sodann seinen Streitwagen und schleifte den toten Hektor dreimal um das frische Grab des Freundes.

In der Nacht erschien, mit reichen Lösegeschenken versehen, der greise Priamos im Zelt des Achilleus. Apollon hatte ihn durch ein Traumbild zu solchem Tun ermutigt, und der Götterbote Hermes hatte ihn sicher ins feindliche Lager geleitet. Von Gram gebeugt, warf sich der greise König vor dem Griechen auf die Knie. »Edler Achilleus«, bat Priamos, »gedenke deines Vaters, der gealtert ist wie ich, vielleicht auch in Not und Bedrängnis wie ich. Doch immer noch bleibt ihm die Hoffnung, seinen geliebten Sohn wiederzusehen. Ich aber habe durch deine Hand den Sohn verloren, der mir nicht wiederkehrt!«

Achilleus wurde von dem Flehen des gebrochenen Greises so bewegt, dass er mit ihm Hektors Tod beweinte und Priamos, Bitte erfüllte. Während er den König gastfrei bewirtete, ließ er Hektors entstellte Leiche waschen, salben und in saubere Tücher betten. »Zürne mir nicht, Patroklos«, bat er den gefallenen Freund, bevor er dem Priamos die Leiche zurückgab. Den Troern gewährte er Waffenruhe, damit sie ihren Helden ungestört bestatten könnten.

Unter dem Schutz des Hermes verließ König Priamos, unbemerkt von den Wachen, mit seiner kostbaren Last das griechische Lager. Neun Tage währte die Totenfeier für Hektor, den tapfersten Helden der Trojaner. Nach dem Beschluss der Götter war es Achilleus bestimmt, bald nach Hektors Tod im Kampf zu fallen. Nun sollte sich das Schicksal an ihm erfüllen. Denn obwohl Sohn einer Göttin, war Achilleus nicht unsterblich.

Als Thetis ihn nach seiner Geburt ins Feuer des Hephaistos und ins Wasser des Styx eingetaucht hatte, um ihn unverwundbar zu machen, blieb die Ferse, an der die Göttin den Knaben gehalten hatte, von Feuer und Wasser unberührt. Dass Achilleus an dieser Stelle verwundbar war, blieb aber ein Geheimnis der Götter.

Immer erbitterter tobte der Kampf um Troja. Bis an die Stadttore trieb Achilleus die Feinde zurück, und schon schickte er sich an, die Doppelflügel des Skäischen Tores aus den Angeln zu heben, um seinen Kampfgenossen Eingang in die bewehrte Stadt zu erzwingen.

Nun konnte Phoibos Apollon nicht mehr müssig bleiben, da es um das Schicksal der von ihm beschützten Stadt ging. Den Köcher auf dem Rücken, stieg er vom Olymp herab, und unverhüllt trat er dem Rasenden entgegen:,»Lass ab von den Troern! Und hüte dich, dass dich nicht einer der Unsterblichen vernichte!«

Achilleus jedoch ließ sich in seiner Kampfeswut nicht mehr zurückhalten. Er scheute sich nicht, den Gott zu schmähen, und bedrohte ihn gar mit dem Speer. Da wandte Phoibos Apollon sich zornig ab, und, in schützendem Gewölk verborgen, schoss er seinen unfehlbaren Pfeil auf Achills verwundbare Ferse.

Bis ans Herz hinan durchfuhr den Helden ein stechender Schmerz. Er stöhnte auf und fiel zu Boden. Dann aber zog Achilleus den Pfeil des unsichtbaren Schützen aus der tödlichen Wunde, noch einmal stürzte er sich ins Kampfgewühl und erschlug viele Feinde – doch dann verließ ihn die Kraft. So sank der göttergleiche Achilleus, den kein Sterblicher hatte besiegen können, in den Staub.

Nur mit Mühe bargen seine treuen Kampfgenossen, Ajax und Odysseus, die Leiche des toten Helden. Tiefe Trauer herrschte im Griechenlager, unaufhörlich stieg das Klagegeschrei zum Himmel empor. Dann errichtete man einen Scheiterhaufen, wie er noch keinem Helden zuteil geworden war, schichtete um ihn die Beuterüstungen der Erschlagenen auf und tat unzählige Geschenke hinzu.

Die Helden schnitten ihr Haar ab, auch die schöne Briseïs brachte ihrem Gebieter Locken von ihrem Haupthaar als letztes Geschenk und als Totenopfer. Unter dem Wehklagen der Krieger schlug die verzehrende Flamme empor. Der Windgott fuhr in die aufgeschichteten Bäume und entzündete sie zu heller Glut. Die Gebeine des Helden bargen die Waffenfreunde und senkten sie in ein Grab zur Seite seines Freundes Patroklos.

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Autor: Griechische Sage

Bewertung des Redakteurs:
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Friedrich Schlegel