Der deutsche Puder

Der deutsche Puder · Michail Soschtschenko 

Bei meinen Bekannten, den Gussjews, wohnte ein Deutscher. Er hatte ein Zimmer gemietet und blieb fast zwei Monate da. Ein richtiger Deutscher aus Berlin. Er verstand nicht ein einziges Wörtchen Russisch. Mit seinen Wirten unterhielt er sich nur durch Zeichen und Winke.

Angezogen war er glänzend, der Deutsche. Natürlich. Blendend weiße Wäsche. Die Hosen -, ein Bein wie das andere. Völlig egal. Und mit Bügelfalte. Ein Bild sozusagen.

Und als der Deutsche abreiste, ließ er seinen Wirtsleuten manches zurück. Einen ganzen Berg ausländischer Waren. Verschiedene Fläschchen und Gläschen, Schächtelchen und Krügelchen.

Außerdem zwei Paar Unterhosen und einen fast neuen Pullover. Gar nicht zu reden von den Kleinigkeiten für männlichen und weiblichen Bedarf. Und alles lag zusammengeknüllt zu einem Haufen in der Ecke beim Waschtisch.

Die Wirtin, die Dame Gussjewa, eine ehrliche Haut – nein, man kann wirklich nichts sagen gegen sie – verständigte den Deutschen, bevor er abreiste, durch Winke und Zeichen: »Bitte sehr, haben Sie nicht beliebt, in der Eile die ausländischen Reichtümer da zu vergessen?«

Der Deutsche aber schüttelte den Kopf: »Nein, bitte, poschaluista, bedienen Sie sich ihrer nur. Ist gar nicht wert, Aufhebens darum zu machen.«

Nun, die Gussjews stürzten sich wie die Geier auf die Sachen. Er, Gussjew, legte sogar ein regelrechtes Verzeichnis an. Und zog, selbstverständlich, sofort den Pullover über und raffte die Unterhosen an sich.

Zwei ganze Wochen paradierte er im Haus herum, die Unterhosen in der Hand. Zeigte sie allen, prahlte widerwärtig mit ihnen und lobte die deutsche Qualität. Und wirklich, die Sachen, obgleich getragen, waren gute, echte ausländische Ware. Es war recht angenehm, sie anzuschauen.

Nun, unter anderem gab es da unter den hinterlassenen Reichtümern ein flaches Büchschen mit Pulver. Einem feinen rosa Pulver. Roch großartig. Beinahe wie Flieder.

Als das erste Entzücken abgeflaut war, verlegten sich die Gussjews aufs Raten, was für ein Pulver das wohl sei. Sie rochen daran, mahlten es zwischen den Zähnen, streuten ein bisschen davon aufs Feuer, aber sie kamen nicht dahinter.

Gussjew lief im ganzen Hause damit herum, zeigte es den Studenten und verschiedenen anderen Intellektuellen, aber davon wurde er auch nicht klüger. Manche sagten, es sei Puder. Andere hielten es für einen deutschen Talk für Säuglinge.

Gussjew entschied endlich: »Den feinen deutschen Talk brauche ich nicht. Habe keine Säuglinge, keine neugeborenen. Nehmen wir es also für Puder. Ich werde mir täglich, nach dem Rasieren, das Maul damit abtupfen. Man muss ja schließlich – und wenn es nur einmal ist – wie ein Kulturmensch leben.«

Fängt also Herr Gussjew an, sich zu rasieren und zu pudern. Stolziert, rosig und leuchtend, nach jeder Rasur einher, und unerhörte Wohlgerüche gehen von ihm aus. Neidische Blicke, neidische Fragen schwirren um ihn herum. Und Gussjew lobt oft und warm die deutsche Qualität.

»Wie viele Jahre«, sagt er, »habe ich meine werte Persönlichkeit verunstaltet mit dem russischen Dreck! Jetzt, endlich, habe ich das Richtige gefunden! Und«, meint er, »wenn dieser ausgezeichnete Puder zu Ende sein wird, weiß ich nicht, wie es weitergehen soll. Wenn man sich doch nur noch ein weiteres Büchschen davon bestellen könnte!«

Nach einem Monat – der Puder neigte sich schon seinem Ende zu – kam ein Bekannter, ein Intellektueller zu den Gussjews. Als man ihm beim Abendbrot das Büchschen zeigte, sagte er gleich: »Deutsches Flohpulver!« Einen anderen hätte diese Erklärung sehr niedergeschlagen. Selbstverständlich.

Und möglicherweise wäre, aus nachträglichem Ekel, sein Gesicht mit Pickeln übersät worden. Aber nein, so einer war Herr Gussjew nicht. »Ja, da hat man es -«, rief er begeistert, »das ist wirklich Qualität. Das ist Fortschritt! Taugt für alles! Wenn du Lust hast, puderst du dir das Gesicht damit; ist es nötig, benutzt du es gegen die Flöhe. Und wir, auch Gott, was haben wir dagegen?«

Voller Entzücken betrachtet Gussjew die Reste des Wunderpuders. Sagt dann: »Also deshalb! Ich staune nämlich schon die ganze Zeit. Meinen Sie, ein Floh hätte mich gebissen? Madame Gussjewa, meine Gattin, beißen sie nach wie vor. Meine Söhne juckt es Tag und Nacht ganz erbärmlich. Und unser Ninka, der Hund, kratzt sich auch wie ein Verrückter. Nur ich, sehen Sie, ich gehe herum, mich stört kein Floh. Nicht einer. Sind’s auch nur Insekten, so fühlen sie doch, die Biester, die gute deutsche Ware.«

Seit einigen Tagen ist Gussjews Wunderpulver zu Ende. Und nun beißen ihn, höchstwahrscheinlich, auch wieder die Flöhe.

Der Deutsche Puder · Michail Soschtschenko · Story

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