Zweikampf · Odyssee

Zweikampf · Trojanischer Krieg · Griechische Sage · Odyssee

Da gedachte Agamemnon, durch einen lockenden Traum verführt, das Schicksal auf die Seite der Griechen zu zwingen. In einer Entscheidungsschlacht wollte er den unseligen Krieg mit dem Sieg der Griechenheere zu einem glücklichen Ende führen.

Die beiden Heerhaufen standen sich schon mit Ross und Wagen kampfbereit gegenüber, da sprang der starke Hektor vor die Schlachtreihen der Troer und gebot dem ungestümen Eifer der Vordrängenden Einhalt.

»Höret mich, ihr Griechen und ihr Troer!« rief er. Und dann machte er den Griechen ein Angebot, den langjährigen Völkerstreit zu beenden: sein Bruder Paris sei bereit, mit Menelaos die Waffen zu kreuzen und durch das Gottesurteil des Zweikampfes den Krieg zu entscheiden.

Nach Hektors Rede herrschte lange Stillschweigen. Schließlich nahm Menelaos das Wort. »Nun, hoffe ich, werdet ihr, Griechen und Trojaner, versöhnt voneinander scheiden, nachdem ihr so viel Schlimmes erduldet habt. Einer von beiden, welchen auch das Schicksal auserkoren hat, wird sterben, ihr anderen aber sollt in Frieden auseinandergehen. Lasst uns opfern und schwören, dann mag der Zweikampf beginnen!«

Freudig und in neugeweckter Hoffnung stimmten alle ihm bei: nun sollte der lang währende Kampf in schneller Entscheidung sein Ende finden! König Priamos wurde aus Troja herbeigerufen, und während die Krieger sich hüben und drüben lagerten, besiegelte man unter feierlichen Opfern den Vertrag. Priamos selber fuhr in die Stadt zurück, denn er ertrug es nicht, mit eigenen Augen zu schauen, wie sein geliebter Sohn mit dem Fürsten Menelaos auf Leben und Tod kämpfte.

Auf den Zinnen von Trojas Mauern, am Skäischen Tor, waren die Ältesten des trojanischen Volkes versammelt, um dem Entscheidungskampf zuzusehen. Auch Helena hatte das Frauengemach verlassen. Mit wehmütigem Gefühl und ihr Handeln bitter bereuend, erblickte sie auf dem Schlachtfeld vor den Toren der Stadt die Männer aus ihrer griechischen Heimat, unter ihnen König Menelaos, der ihr in seinem prächtigen Waffenschmuck herrlicher als je zuvor erschien.

Der greise Priamos sprach ihr tröstend zu, auch die Ratgeber des Königs sahen Helenas Schönheit mit Wohlgefallen und sprachen: »Nicht verwunderlich ist es, dass die tapferen Griechen und wir Troer um ein solches Weib soviel Elend ertragen!«

Von den Griechen war Odysseus, auf Seiten der Troer Hektor zu Ordnern und Hütern für den Zweikampf bestellt. Sie schritten den Kampfplatz ab, warfen die Lose und entschieden damit, wem der erste Wurf zustehe. Das Los fiel auf Paris. Die beiden Streiter traten nun in die Mitte des abgemessenen Raumes und schwangen in Kampfeszorn ihre Waffen. Dann schleuderte Paris als erster seinen Speer auf den Gegner. Doch an dessen eisenbeschlagenem Schild prallte das Geschoss ab.

Nun warf Menelaos seine Lanze, die den Schild des Paris durchdrang und sein Gewand zerschnitt. Menelaos ging zum Angriff über, doch zersprang sein Schwert an der undurchdringlichen Rüstung des Gegners. Auf Paris einstürmend, ergriff Menelaos den Helmbusch des Troers, und er hätte den Jüngling fast zu Boden geworfen, wenn die Göttin Aphrodite nicht ihrem Liebling in diesem Augenblick höchster Not zu Hilfe gekommen wäre.

Sie zerschnitt nämlich den Kinnriemen des Paris, so dass Menelaos den leeren Helm in der Hand hielt. Paris aber, von der Göttin in eine Nebelwolke gehüllt, nutzte diesen Augenblick, um dem sicheren Tod zu entfliehen; er war im Gedränge seiner Landsleute verschwunden, ehe Menelaos ihm seinen Speer nachschleudern konnte.

Für die Griechen gab es keinen Zweifel, wem der Sieg zustehe. Deshalb verlangte Agamemnon von den Troern die Erfüllung des Vertrages. »Gebt uns Helena zurück«, rief er, »samt allen geraubten Schätzen und gelobt dazu einen fortdauernden Tribut für die lange Kriegsnot, die wir ertragen haben!« Die Griechen antworteten mit Triumphgeschrei – die Trojaner schwiegen.

Im Rat der Götter wurde indessen Trojas Untergang beschlossen. Auf Athenes Geheiß richtete Pandaros, einer der besten troischen Schützen, seinen Bogen auf Menelaos. Doch lenkte die Göttin den Pfeil so, dass der Held unverwundet blieb.

Nun schien eine Versöhnung nicht mehr möglich. Empört über den Vertragsbruch, stürzten sich die Griechen auf die Trojaner. Auf beiden Seiten wurde so erbittert gekämpft, dass die Götter selbst in den Kampf eingriffen. Ares, der Kriegsgott, nahm die Partei der Troer und führte sie gegen die Griechen, dass diese bis in ihr Schiffslager zurückweichen mussten, obwohl auf ihrer Seite die Göttin Pallas Athene mitkämpfte. Tagelang wogte die Schlacht hin und her, nur die Nacht zwang die Kämpfenden zu kurzer Waffenruhe.

Hektor, der tapferste der Troer, sah die Entscheidung herannahen und eilte in die Stadt zurück, um seine Mutter zu einem Bittopfer zu veranlassen. Dann suchte er Paris auf, der nach dem Zweikampf in seinen Gemächern Schutz gesucht hatte und sich vom Kampf fernhielt. »Schämst du dich nicht in deiner Lässigkeit, Bruder?« schalt Hektor ihn. »Wir alle stehen um deinetwillen im Kampf auf Leben und Tod! Nur du bist saumselig und zögerst, die Stadt zu verteidigen.«

Auch Helena, die dem ungleichen Kampf von der Mauerzinne aus zugesehen hatte, schämte sich des schimpflichen Ausgangs. Da versprach Paris, sogleich wieder auf dem Kampfplatz zu erscheinen. »Nun gönne du dir etwas Ruhe, Schwager« bat Helena den edlen Hektor; »denn auf deinen Schultern lastet zumeist die Bürde des Kampfes.«

Hektor jedoch eilte davon, um seine Gemahlin Andromache und sein zartes Söhnchen noch einmal zu sehen. Als er seinen Palast erreichte, fand er Andromache nicht daheim. Auf dem Weg zum Kampfplatz am Skäischen Tor traf er sie mit einer Dienerin, die den unmündigen Astyanax auf dem Arm trug.

Andromache, das Herz voll schwerer Sorgen, weinte vor Traurigkeit beim Anblick ihres Gemahls. Sanft nahm sie ihn bei der Hand. »Entsetzlicher Mann«, sagte sie mit leise mahnendem Vorwurf, »dich rafft sicherlich noch dein Mut dahin. Kennst du denn gar kein Erbarmen mit deinem zarten Sohn und deiner unglücklichen Frau? Bleib doch hier auf dem Turm und leite von hier aus die Schlacht.«

Mit behutsamen Worten suchte Hektor ihre Sorgen und Vorwürfe zu zerstreuen. Er hatte längst erkannt, dass alles tapfere Mühen vergeblich war. »Einst wird der Tag kommen, da das heilige Ilion in den Staub sinkt«, sagte er mit tiefbetrübtem Herzen. »Mit Grauen denke ich an den Tag, da einer der Griechen dich als Sklavin hinwegführt. Möge mich der Grabhügel decken, ehe ich diesen Jammer erleben muss!«

Bekümmert blickte Hektor auf den kleinen Astyanax. Als er die Arme nach dem Kind ausstreckte, schrak es vor dem flatternden Helmbusch zurück und schrie furchtsam. Erst als der Vater den Helm vom Haupt nahm und dem Knaben freundlich zusprach, ließ er sich willig in die Arme nehmen. Zärtlich hielt Hektor seinen Astyanax umfangen und flehte den Segen der Götter auf ihn herab. Dann nahm er Abschied von Frau und Kind und eilte davon.

Auch Andromache schritt dem Haus zu, oft hielt sie noch inne, wandte sich um und blickte mit Tränen in den Augen dem herrlichen Helden nach. Vergeblich hatten die Griechen den göttlichen Achill gebeten, seinen Groll zu überwinden und wieder am Kampf teilzunehmen. In seinem starren Trotz verweigerte der Held jedoch jede Waffenhilfe.

Auf der Gegenseite waren inzwischen Hektor und Paris auf dem Schlachtfeld erschienen und gaben den verzweifelten Trojanern neuen Mut. Auf Geheiß des troischen Sehers Helenos forderte Hektor den tapfersten der Griechen zum Zweikampf heraus. Da wurde es still in der Schlachtreihe der Griechen. Wer sollte es wagen, sich mit dem stärksten der Troer zu messen? Auf Nestors Rat ließen sie das Los entscheiden. Es fiel auf Ajax, den König von Salamis.

Während er sich zum Kampf rüstete, beteten die Griechen in der Stille zu den Göttern. Dann begann der Kampf. Mit der Lanze, mit dem Schwert und mit den Kräften ihres Armes maßen sich die beiden tapferen Krieger. Erst als die Dämmerung hereinbrach, trennten sie sich, einander ebenbürtig an Mut und Waffengewandtheit. Als am Morgen die Schlacht von neuem entbrannte, saß Achill, unbekümmert um das verzweifelte Ringen, noch immer in seinem Zelt.

Die Schlachtreihen der Griechen wurden erschüttert, immer kühner drangen die Troer vor; schon hatten sie das Tor des Schiffslagers erreicht, schon begann Hektor, Brände in die Schiffe zu schleudern! Da wandte sich der alte Nestor, dessen weiser Rat zu allen Zeiten den Griechen nützlich gewesen war, an Patroklos, den Freund des Achilleus. »Bitter unrecht tut Achilleus, dass er über der Not der Griechen seine persönliche Kränkung nicht zu vergessen vermag!«

Patroklos bemühte sich, den Freund umzustimmen: »Wenn wir jetzt nicht helfend eingreifen, ist alles verloren. Ich kann nicht länger untätig zusehen, wie die Griechen verderben. Wenn du immer noch unbeugsam auf deinem Groll beharren willst, so lass wenigstens deine Krieger, die Myrmidonen, in den Kampf ziehen, das Ärgste abzuwehren. Und noch um eins bitte ich dich: Gib mir deine Rüstung! Vielleicht werden die Trojaner erschrecken, wenn sie glauben, dass du selber wieder am Kampf teilnimmst!«

Achilleus gewährte dem Jugendfreund und Waffenbruder die Bitte und gab ihm die Rüstung. Die Krieger des Achilleus kämpften die schwer bedrängten Schiffe wieder frei. Allen voran verfolgte Patroklos auf Achills Streitwagen die Fliehenden. Furcht und Schrecken hatte die Troer ergriffen, weil sie glaubten, den tapferen Achilleus vor sich zu sehen. Bis vor Trojas Stadttore drang Patroklos mit unwiderstehlicher Gewalt vor.

Da trat Apollon ihm in den Weg. Er wehrte dem Vordringen des Helden und mahnte zugleich Hektor, der bis zum Skäischen Tor gewichen war, in den Kampf zurückzukehren und Patroklos zu bestehen. »Ich selber werde dir den Sieg verleihen«, versprach der Gott. Er lähmte dem Waffenfreund Achills mit einem kräftigen Schlage die Rechte und machte es dadurch dem Troer leicht, den tödlichen Stoß zu führen. Von Hektors wuchtiger Lanze durchbohrt, sank Patroklos entseelt zu Boden.

Selbst die mutigsten der Griechen erbebten vor Furcht, als sie den Helden in den Staub sinken sahen. In wildem Triumph zog Hektor dem Gefallenen die Rüstung aus, legte sie selber an und führte dann einen erbitterten Kampf mit Menelaos und Ajax, die heranstürmten, um den toten Patroklos zu bergen. Nur mühsam brachten sie den Leichnam an sich und trugen ihn ins Schiffslager.

In namenlosem Schmerz vernahm Achill die Botschaft vom Tode des geliebten Freundes. Er warf sich in den Staub, er raufte sich das Haar. Vergebens rief er zu den Göttern; nur Thetis, seine göttliche Mutter, hörte auf dem Meeresgrund seine Klage. In sorgender Teilnahme entstieg sie den Wellen und suchte ihn zu trösten. Achilleus aber kannte nur einen Trost: Rache an Hektor, der ihm den Freund geraubt hatte!

»Gedulde dich bis morgen, mein Sohn«, sagte Thetis, »ich will zum Götterschmied Hephaistos gehen und ihn bitten, dir eine neue Rüstung zu schaffen. Bei Sonnenaufgang werde ich zurück sein!« Achilleus vernahm unterdessen den Kampflärm der Männer, die dicht vor dem Lager noch einmal um die Leiche des Patroklos streiten mussten.

Da sprang er waffenlos, wie er war, auf den Lagerwall, und mit lauter Stimme schleuderte er Drohworte hinüber, dass die Trojaner, als sie ihn nun sahen und sein Geschrei hörten, von Furcht ergriffen wurden.

Selbst Hektor ließ den Leichnam fahren, und er kehrte mit den Seinen zur Stadt zurück. Mit gesenktem Haupt stand Achilleus vor der Leiche des erschlagenen Freundes. Wie reute ihn beim Anblick des grässlich Entstellten, dass er ihn hatte hinausziehen lassen, während er selbst tatenlos im Zelt geblieben war!

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Autor: Griechische Sage

Bewertung des Redakteurs:
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Aventin