Der Traum · Robert Walser

Der Traum · Robert Walser · Hoffnungslose Nacht · Story

Ich habe einen traurigen, freudlosen Traum gehabt in der vergangenen Nacht. Wohl sechsmal erwachte ich davon, aber immer wieder, so, als sollte ich stets von neuem geprüft werden, fiel ich hinunter in die Gewalt der düsteren Einbildungen, in die Macht des fieberartigen Traumes.

Mir träumte, dass ich in eine Art von Anstalt und Institut hinein gekommen sei, in einen Sonderbund, in eine verriegelte, unnatürliche Absonderung, welche von höchst kalten und höchst eigentümlichen Verordnungen regiert wurde. Elend war mir zumute, und eiskalter Schauder rieselte mir durch die entsetzte, angsterfüllte Seele, die sich vergeblich sehnte, ein Verständnis zu finden.

Alles war mir unverständlich, doch das Grausamste war, dass sie nur über die Ratlosigkeit und Hilflosigkeit lächelten, in der sie mich sahen. Nach allen Seiten schaute ich mich mit flehenden Augen um, damit ich ein freundliches Auge sähe; doch ich sah nur den offenen, mitleidlosen Hohn mich mit seinen Blicken messen.

Alle, die da waren, musterten mich auf so sonderbare Weise, auf so rätselhafte Weise. Meine Angst vor der ringsum herrschenden Ordnung, deren Wesen mich mit Grauen erfüllte, wurde von Minute zu Minute größer, und mit ihr vergrößerte sich die Unfähigkeit, die sich mir offenbarte, mich in die seltsamen, absonderlichen Verhältnisse zu schicken.

Deutlich erinnere ich mich, wie ich bald zu diesem, bald zu jenem Menschen in kummervoller, bittender Tonart sagte, dass ich »alles das«, so drückte ich mich in der höchsten Herzbeklemmung aus, ja ganz und gar nicht verstehe, und dass man mich doch lieber hinaus in die Welt ziehen lassen solle, damit ich meinen Mut und meinen angeborenen Geist wiederfinden würde.

Doch statt mir zu antworten, zuckten sie nur die Achseln, liefen hin und her, zeigten sich sehr in Anspruch genommen, gaben mir zu verstehen, dass sie keine Zeit hätten, sich näher mit mir und mit meinem Unglück zu beschäftigen, und ließen mich in all der unaussprechlichen, fürchterlichen Bestürzung stehen.

Augenscheinlich passte, passte ich gar nicht zu ihnen. Warum denn nun war ich zu ihnen hinein gekommen in diese enge und kalte Umgrenzung?

Durch viele Zimmer und Nebenzimmer tastete ich mich; ich schwankte hin und her wie ein Verlorener. Mir war, als sei ich im Begriff, in dem Meer der Befremdung zu ertrinken. Freundschaft, Liebe und Wärme waren verwandelt in Hass, Verrat und Tücke, und das Mitempfinden schien gestorben seit tausend Jahren oder schien in unendliche Entfernungen gestoßen.

Eine Klage wagte ich nicht zu äußern. Ich hatte zu keinem, zu keinem dieser unverständlichen Menschen ein Vertrauen. Jeder hatte seine strenge, enge, stumpfe, wohl abgemessene Beschäftigung, und darüber hinaus stierte er wie in eine grenzenlose Leere.

Ohne Erbarmen mit sich selber, kannten sie auch kein Erbarmen mit einem anderen. Tot, wie sie waren, setzten sie nur Tote voraus.

Endlich erwachte ich aus all dem Hoffnungslosen. Oh wie freute ich mich, dass es nur ein Traum war.

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Autor: Robert Walser

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Frieden schaffen heißt frei sein von Gedanken und als das reine Bewusstsein verweilen.


Ramana Maharshi