Der Bauernsohn und die Katze

Der Bauernsohn und die Katze · Märchen aus Island

Eine alte Bauernfamilie und eine Königsfamilie lebten einmal im gleichen Reich. Zuerst soll von den Bauern erzählt werden.

Der alte Bauer war so geizig, dass er schon ungeheuer viel Geld zusammen gescharrt hatte, und die Leute prägten das Sprichwort, dass er immer zwei Geldstücke für eines bekäme. Aber einmal wurde er krank und musste sich ins Bett legen. Kurze Zeit später starb er.

Der einzige Sohn der Bauern träumte dann in einer Nacht nach dem Tod seines Vaters folgendes: Ein unbekannter Mann kam zu ihm und sagte: »Dein Vater ist nun tot, und sein ganzer Reichtum gehört jetzt dir, denn deine Mutter wird auch bald sterben.

Die Hälfte des Reichtums ist jedoch auf unrechte Weise erworben, deshalb sollst du das halbe Vermögen den Armen geben, die andere Hälfte sollst du ins Meer werfen. Wenn dabei etwas nicht untergeht, so fische es heraus und bewahre es gut auf.«

Der Mann verschwand, und der Sohn erwachte. Ganz bekümmert über diesen Traum dachte er nach, was zu tun sei. Denn das ganze Vermögen so ohne weiteres fahren zu lassen, das schien ihm doch keine leichte Sache zu sein.

Schließlich fasste er aber dennoch den Entschluss, die Hälfte den Armen zu geben und die andere Hälfte ins Meer zu werfen.

Nachdem er seinen Entschluss in die Tat umgesetzt hatte, sah er auf der Meeresoberfläche wirklich etwas schwimmen. Er fischte ein Stück Papier heraus, entfaltete es und fand sechs Schilling darin. »Was soll ich nur mit diesen sechs Schilling anfangen?« dachte er missmutig, »nachdem ich ein so großes Vermögen vernichtet habe?« Gleichwohl, er behielt die Münzen und steckte sie in seine Tasche.

Kurz darauf starb auch seine Mutter. Schweren Herzens, da ganz allein, zog der Bauernsohn fort, ging in den Wald und wanderte lange darin umher, bis er zu einer ärmlichen Hütte kam. Er klopfte an die Tür, ein altes Mütterchen öffnete ihm, und er bat sie um Erlaubnis, bei ihr übernachten zu dürfen. Zahlen könne er jedoch für die Herberge nicht.

»Das Haus wird dir deshalb nicht verschlossen bleiben«, erwiderte die Alte und bat ihn herein. Der Bursche bemerkte keine anderen Menschen im Innenraum als zwei Frauen und drei Männer. Sie saßen ruhig zusammen und sprachen kaum.

Nach einer Weile bemerkte er jedoch ein Tier von grauer Farbe und blauen Augen, das nicht sehr groß war, und er nicht kannte. Ein solches Wesen hatte er zuvor noch nie gesehen. Er fragte, wie dieses Tier heiße, und erhielt die Antwort: »Katze«“.

»Und was kostet die Katze?« fragte er hierauf.

»Sechs Schilling, und ihr könnt sie mitnehmen«, war die Antwort.

Er überlegte nicht lange, kaufte das Tier und schlief gut die ganze Nacht. Am nächsten Morgen nahm er dankend Abschied, steckte das Tier in seinen Mantel und ging seines Weges.

Den ganzen Tag durchwanderte er Wälder und Wüsten, bis er abends endlich zu einem Hof kam. Hier kopfte er an die Tür. Ein alter Mann trat heraus, der sich als Hausbesitzer vorstellte. Der Bursche bat um Herberge für eine Nacht, fügte aber gleich hinzu, dass er nichts bezahlen könne.

»Man wird dir auch umsonst ein Nachtlager geben«, erwiderte der Mann und führte ihn in die Wohnstube. Hier saßen zwei Frauen und zwei Männer. Die jüngere Frau war die Tochter, die ältere ihre Mutter. Der Bursche ließ die Katze unter seinem Arm hervorspringen, und alle waren ganz verwundert über das fremde Tier.

Am nächsten Morgen riet man ihm, zur Halle des Königs hinauf zu gehen, die sich nicht weit von dem Hof befand. Der König sei ein guter Mensch, der ihm ohne Zweifel eine Freundlichkeit erweisen werde.

Daraufhin machte sich der junge Bauernsohn auf und kam auch bis zur Halle des Königs. Er schickte dem König eine Botschaft, dass er ihn zu sehen wünschte, und wurde auch vorgelassen.

Dort traf er viele Leute bei Tisch an, wurde vom König und seinen Hofleuten freundlich begrüßt, war aber ungeheuer erstaunt, als er eine große Anzahl kleiner Tiere bemerkte, die überall herum sprangen, die schönsten Leckerbissen von den Tellern schnappten und die Anwesenden sogar in die Finger bissen.

Sogar die Hände des Königs waren nicht verschont geblieben und bluteten. Keiner von ihnen schien ein wirksames Mittel zu kennen, der Plage Herr zu werden.

»Ihr werdet verzeihen: Was sind das für Tiere, und was hat ihre Anwesenheit hier zu bedeuten?« fragte der Bursche sehr erstaunt.

»Ratten«, gab der König zur Antwort. »Sie suchen uns schon viele Jahre heim, und wir können uns ihrer nicht erwehren.«

In diesem Augenblick sprang die Katze unter dem Mantel hervor und jagte auf die Ratten los. Sie biss wild um sich und jagte schließlich alle Nager aus der Halle.

Wie verwundert und erfreut waren darüber der König und seine Hofleute! Der Bursche erzählte, dass er die Katze für sechs Schilling gekauft habe, und der König erwiderte darauf: »Weil du hierher gekommen bist und wegen des Glücks, das du uns verschafft hast, kannst du wählen, was du lieber haben willst: den Posten des ersten Ministers oder meine Tochter.«

Da entschied sich der Bursche lieber für die Tochter des Königs. Es wurde bald Hochzeit gehalten, und als alles vorüber war, sandte der Bursche Boten zu den Bauern, die ihn beherbergt hatten; und er machte sie zu seinen Ministern, als er nach dem Tod des Königs selbst die Regierung angetreten hatte.

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Autor: Märchen aus Island

Bewertung des Redakteurs:
4

Wer einen Engel sucht und nur auf die Flügel schaut, könnte eine Gans nach Hause bringen.

Georg Christoph Lichtenberg