Bellerophontes · Schicksal und Leben

Bellerophontes · Schicksal und Leben · Griechische Sage

Bellerophontes · Schicksal und Leben · Sisyphos, der Sohn des Aiolos, der listigste aller Sterblichen, baute und beherrschte die herrliche Stadt Korinth auf der schmalen Erdzunge zwischen zwei Meeren und zwei Ländern.

Für allerlei Betrug traf ihn in der Unterwelt die Strafe, dass er einen schweren Marmorstein, mit Händen und Füßen angestemmt, von der Ebene eine Anhöhe hinaufwälzen musste.

Wenn er aber schon glaubte, ihn auf den Gipfel gedreht zu haben, so wandte sich die Last um, und der tückische Stein rollte wieder in die Tiefe hinunter. So musste der gepeinigte Verbrecher das Felsstück wieder von neuem und immer wieder von neuem emporwälzen, dass der Angstschweiß von seinen Gliedern floss.

Sein Enkel war Bellerophontes, der Sohn des Königs der Korinther Glaukos. Wegen eines unvorsätzlichen Mordes flüchtig, wandte sich der Jüngling nach Tiryns, wo der König Prötos regierte. Bei diesem wurde er gütig aufgenommen und von seinem Mord gereinigt.

Aber Bellerophontes hatte von den Unsterblichen schöne Gestalt und männliche Tugenden empfangen. Deswegen entbrannte die Gemahlin des Königes Prötos, Anteia, in unreiner Liebe zu ihm und wollte ihn zum Bösen verführen.

Aber der edelgesinnte Bellerophontes gehorchte ihr nicht. Da verwandelte sich die Liebe der Anteia in Hass; sie sann auf Lüge, ihn zu verderben, erschien vor ihrem Gemahl und sprach zu ihm: »Erschlage den Bellerophontes, mein Gemahl, wenn dich nicht selbst unrühmlicher Tod treffen soll, denn der Treulose hat mir seine strafbare Neigung bekannt und mich zur Untreue gegen dich verleiten wollen.«

Als der König das vernommen, bemächtigte sich seiner ein blinder Eifer. Weil er jedoch den verständigen Jüngling auch liebgehabt hatte, vermied er den Gedanken, ihn zu ermorden, denn das machte ihm Grauen. Aber dennoch sann er insgeheim auf sein Verderben.

So schickte er den Unschuldigen zu seinem Schwiegervater Iobates, dem König von Lykien, und gab ihm ein zusammengefaltetes Täfelchen mit, das er bei seiner Ankunft in Lykien gleichsam als einen Empfehlungsbrief vorweisen sollte; auf dieses waren gewisse Zeichen eingeritzt, die den Wink enthielten, den Überbringer hinrichten zu lassen.

Arglos wandelte Bellerophontes dahin, aber die allwaltenden Götter nahmen ihn in ihren Schutz. Als er, übers Meer nach Asien gefahren, am schönen Strom Xanthos angekommen war und Lykien erreicht hatte, trat er vor den König Iobates.

Dieser, ein gütiger, gastfreundlicher Fürst nach der alten Sitte, nahm den edeln Fremdling auf, ohne zu fragen, wer er denn sei, noch, woher er komme. Seine würdige Gestalt und sein fürstliches Benehmen genügten ihm zur Überzeugung, dass er keinen gemeinen Gast beherberge.

Er ehrte den Jüngling auf jede Weise, gab ihm alle Tage ein neues Fest und brachte den Göttern jeden Morgen ein neues Stieropfer dar. Neun Tage waren so vorübergegangen, und erst als die zehnte Morgenröte am Himmel aufstieg, fragte er den Gast nach seiner Herkunft und seinen Absichten.

Da sagte ihm Bellerophontes, dass er von seinem Eidam Prötos komme, und wies ihm als Beglaubigungsschreiben das Täfelchen vor. Als der König Iobates den Sinn der mörderischen Zeichen erkannte, erschrak er in tiefster Seele; denn er hatte den edlen Jüngling sehr lieb gewonnen.

Doch mochte er nicht denken, dass sein Schwiegersohn ohne gewichtige Ursache die Todesstrafe über den Unglücklichen verhänge; glaubte also, dieser müsse durchaus ein todeswürdiges Verbrechen verübt haben.

Aber auch er konnte sich nicht entschließen, den Menschen, der bereits mehrere Tage sein Gast gewesen war und durch sein ganzes Benehmen sich seine Zuneigung zu erwerben gewusst hatte, einfach umzubringen. Er gedachte ihm deswegen Kämpfe aufzutragen, in denen er eigentlich zugrunde gehen müsste.

Zuerst ließ er ihn das Ungeheuer Chimära erlegen, das Lykien verwüstete und das göttlicher, nicht menschlicher Art herangewachsen war. Der grässliche Typhon hatte es mit der riesigen Schlange Echidna gezeugt. Vorn war es ein Löwe, hinten ein Drache, in der Mitte eine Ziege und aus seinem Rachen ging Feuer und entsetzlicher Gluthauch.

Die Götter selbst trugen Mitleid mit dem schuldlosen Jüngling, als sie sahen, welcher Gefahr er ausgesetzt wurde. Sie schickten ihm deshalb auf seinem Weg zu dem Ungeheuer das unsterbliche Flügelross Pegasus, das Poseidon mit der Medusa gezeugt hatte. Wie konnte ihm aber dieses helfen? Das göttliche Pferd hatte nie einen sterblichen Reiter getragen. Es ließ sich nicht einfangen und auch nicht zähmen.

Müde von seinen vergeblichen Anstrengungen war der Jüngling am Quell Pirene, wo er das Ross gefunden hatte, eingeschlafen. Da erschien ihm im Traum seine Beschirmerin Athene; sie stand vor ihm, einen wunderschönen Zaum mit goldenen Verzierungen in der Hand, und sprach: »Was schläfst du, Abkömmling des Aiolos? Nimm dieses Ross bändigende Werkzeug hier; opfere dem Poseidon einen schönen Stier und gebrauche das Zaumzeug.«

So erschien sie dem Helden im Traum, schüttelte ihr Ägisschild und verschwand wieder. Da erwachte Pellerophontes aus dem Schlaf, sprang auf und fasste mit der Hand nach dem Zaum. Und, oh Wunder, den Zaum, nach dem er noch halb im Traum gegriffen hatte, hielt er wirklich und leibhaftig in der Hand.

Bellerophontes suchte nun den Seher Polyidos auf und erzählte ihm seinen Traum sowie das Wunder, das sich zugetragen hatte. Der Seher riet ihm, das Begehren der Göttin ungesäumt zu erfüllen, dem Poseidon einen Stier zu schlachten und seiner Schutzgöttin Athene einen Altar zu bauen.

Als dies alles geschehen war, fing und bändigte Bellerophontes das Flügelross ohne große Mühe, legte ihm den goldenen Zaum an und bestieg es in eherner Rüstung. Nun schoss er aus den Lüften herab und tötete die Chimära mit seinen Pfeilen.

Hierauf schickte ihn Iobates gegen das Volk der Solymer aus, ein streitbares Männergeschlecht, das an den Grenzen von Lykien wohnte. Nachdem er wider Erwarten den härtesten Kampf mit diesen glücklich bestanden hatte, wurde er vom König gegen die männergleiche Schar der Amazonen gesandt.

Auch aus diesem Streit kam er unverletzt und siegreich zurück. Nun legte ihm der König, um dem Verlangen seines Eidams doch endlich nachzukommen, eben auf diesem Rückweg einen Hinterhalt, wozu er die tapfersten Männer des lykischen Landes ausersehen hatte. Aber keiner von ihnen kehrte zurück, denn Bellerophontes besiegte alle, die ihn überfallen hatten, bis auf den letzten.

Nunmehr erkannte der König, dass der Gast, den er beherbergte, kein Verbrecher, sondern ein Liebling der Götter sei. Statt ihn zu verfolgen, hielt er ihn sodann in seinem Königreich zurück, teilte den Thron mit ihm und gab ihm seine blühende Tochter Philonoe zur Gemahlin.

Die Lykier überließen ihm die schönsten Äcker und Pflanzungen zum Bebauen. Seine Gemahlin gebar ihm drei Kinder, zwei Söhne und eine Tochter. Aber jetzt hatte das Glück des Bellerophontes ein Ende. Sein ältester Sohn Isander wuchs zwar auch zu einem gewaltigen Helden heran, fiel aber in einer Schlacht gegen die Solymer.

Seine Tochter Laodameia wurde, nachdem sie dem Zeus den Helden Sarpedon geboren, durch einen Pfeil der Artemis erschossen. Nur sein jüngster Sohn Hippolochos gelangte zu ruhmvollem Alter und schickte im Kampf der Trojaner einen heldenmütigen Sohn, Glaukos, den auch sein Vetter Sarpedon begleitete, mit einer stattlichen Schar von Lykiern den Troern zu Hilfe.

Bellerophontes selbst, durch den Besitz des unsterblichen Flügelrosses übermütig geworden, wollte sich auf demselben zum Olymp emporschwingen und, der Sterbliche, sich in die Versammlung der Unsterblichen hineindrängen.

Aber das göttliche Ross selbst widersetzte sich dem kühnen Unterfangen, bäumte sich in der Luft auf und schleuderte den irdischen Reiter hinunter auf den Boden. Bellerophontes erholte sich zwar von diesem Fall, aber den Himmlischen seitdem verhasst und vor den Menschen sich schämend, irrte er einsam umher, vermied die Pfade der Sterblichen und verzehrte sich in einem ruhmlosen und kummervollen Alter.

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Autor: Griechische Sage

Bewertung des Redakteurs:
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George Bernard Shaw