Offener Brief an die NATO

Offener Brief an die NATO · Petros G. Molyviatis · Griechenland

Sehr geehrter Herr Generalsekretär der NATO,

kürzlich haben Sie sich zur Krise der griechisch-türkischen Beziehungen geäußert. Diese ihre Äußerungen scheinen eine gleiche Distanz zwischen den beiden Ländern zu wahren.

In Wirklichkeit sind ihre Äußerungen jedoch formal nicht akzeptabel, da sie im Wesentlichen den Angreifer zum Nachteil des Opfers begünstigen und letztendlich dem NATO-Bündnis schaden.

Der NATO-Generalsekretär ist ein Angestellter der Regierungen, die ihn ernennen und sein Gehalt aus dem Geld ihrer Steuerzahler bezahlen. Er formuliert somit keine Politik – das ist die Arbeit der Mitgliedsregierungen – und äußert auch keine Positionen ohne deren Zustimmung. Und offensichtlich hat die griechische Regierung diese ihre Aussagen auch nicht gebilligt.

Der offensichtliche Grund für die Existenz eines Bündnisses wie der NATO ist die Solidarität unter seinen Mitgliedern. Aber hier haben wir ein NATO-Mitglied, die Türkei:

• Formelles und öffentliches Beanspruchen von Gebieten eines anderen Mitglieds, nämlich Griechenlands; betreffend 152 Inseln, Inselchen und Felsvorsprünge in der östlichen Ägäis.

• Durchführung täglicher Überflüge mit Kampfflugzeugen über diesen Gebieten.

• Die Türkei verfügt über die größte invasionsfähige Amphibienflotte im Mittelmeer, und fordert gleichzeitig die Entmilitarisierung griechischer Inseln.

Wenn Sie, Herr Generalsekretär, Griechenland auffordern, in einen Dialog mit der Türkei einzutreten, um Differenzen beizulegen, fordern Sie im Wesentlichen damit Griechenland auf, seine territoriale Integrität zum Gegenstand von Verhandlungen mit der Türkei zu machen.

Jetzt frage ich sie, während Sie ein Bündnis vertreten, das genau aus diesem Grund gegründet wurde und auch immer noch besteht, nämlich zum Schutz der territorialen Integrität seiner Mitglieder, meinen Sie das wirklich ernst?

Das ist keine Äquidistanz. Ihre Äußerungen ermutigen nur den Aggressor gegen das Opfer. Und das führt letztlich nicht zur Stärkung des Zusammenhalts der Allianz, sondern zu ihrer Auflösung.

Wenn Sie, Herr Generalsekretär, nicht befugt sind, einzugreifen, um dieser beispiellosen und inakzeptablen Situation innerhalb des Bündnisses abzuhelfen, ist es meiner Meinung nach das Beste, bis zum Ende Ihrer Amtszeit einfach zu schweigen.

Aufrichtig

Petros G. Molyviatis

Griechischer Staatsbürger

Zur Person:
Petros G. Molyviatis, Berufsdiplomat im Ruhestand, war nacheinander diplomatischer Berater und Kabinettsdirektor von Premierminister Constantine Karamanlis (1974-80), Generalsekretär der griechischen Präsidentschaft (1980-85 und 1990-95), Abgeordneter (1996-2004) und Außenminister von 2004-6 und in zwei Übergangsregierungen in den Jahren 2012 und 2015. Er ist Präsident der Constantine G. Karamanlis Foundation.

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Autor: Petros G. Molyviatis

Bewertung des Redakteurs:
5

Wir leben in einem gefährlichen Zeitalter. Der Mensch beherrscht die Natur, bevor er gelernt hat, sich selbst zu beherrschen.

Albert Schweitzer