Fortuna – Hermann Hesse

Fortuna · Hermann Hesse · Glück · Macht des Schicksals

Unter Glück verstehe ich heute etwas ganz Objektives, nämlich die Ganzheit selbst, das zeitlose Sein, die ewige Musik der Welt, das, was andere etwa die Harmonie der Sphären oder das Lächeln Gottes genannt haben.

Dieser Inbegriff, diese unendliche Musik, diese voll tönende und golden glänzende Ewigkeit ist reine und vollkommene Gegenwart, sie kennt keine Zeit, keine Geschichte, kein Vorher, kein Nachher. Ewig leuchtet und lacht das Antlitz der Welt, während Menschen, Generationen, Völker, Reiche aufsteigen, blühen und wieder in den Schatten des Nichts hinsinken.

Ewig musiziert das Leben, ewig tanzt es Reigen, und was uns Vergänglichen, Gefährdeten und Hinfälligen dennoch an Freude, an Trost, an Lachenkönnen etwa zugeteilt wird, ist Glanz von dort, ist ein Auge voll Glanz, ein Tor voll Musik.

Ob es nun jemals jene sagenhaften »glücklichen« Menschen wirklich gegeben habe oder auch die mit Neid gepriesenen Glückskinder, Sonnenlieblinge und Weltherren nur zuweilen, nur in festlichen und begnadeten Stunden oder Augenblicken vom großen Licht bestrahlt worden seien, sie haben kein anderes Glück erleben, an keiner anderen Freude teilhaben können.

Atmen in vollkommener Gegenwart, Mitsingen im Chor der Sphären, Mittanzen im Reigen der Welt, Mitlachen im ewigen Lachen Gottes, das ist unsere Teilhabe am Glück. Viele haben es nur einmal, viele nur wenige Male erlebt.

Aber wer es erlebt hat, ist nicht nur für einen Augenblick glücklich gewesen, er hat auch etwas vom Glanz und Klang, etwas vom Licht der zeitlosen Freude mitgebracht, und alles, was durch Liebende an Liebe, durch Künstler an Trost und Heiterkeit in unsere Welt getragen worden ist und oft nach Jahrhunderten so hell strahlt wie am ersten Tag, das kommt von dort.

Fortuna · Hermann Hesse · Glück · Macht des Schicksals

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