Der Kojote und die Sterne · Sage aus Nordamerika
Es waren einmal fünf Wölfe, allesamt Brüder, die gemeinsam umher zogen. Was sie an Fleisch auf der Jagd erbeuteten, teilten sie immer mit einem Kojoten.
Eines Abends sah der Kojote, wie die Wölfe hinauf zum Himmel schauten. »Was gibt es da oben zu sehen, meine Brüder«, fragte der Steppenwolf.
»Ach nichts«, sagte der älteste Wolf. Am nächsten Abend sah der Steppenwolf, dass sie wieder alle auf etwas im Himmel blickten. Er fragte daher den nächstältesten Wolf, was sie da anschauten. Aber auch der wollte es nicht sagen. So ging es drei oder vier Nächte. Keiner wollte dem Kojoten verraten, was sie da betrachteten, weil sie dachten, er würde sich einfach nur einmischen wollen.
Eines Nachts aber bat der Steppenwolf den jüngsten Wolfsbruder, es ihm doch zu sagen, und dieser sprach dann zu den anderen Wölfen: »Sagen wir dem Kojoten doch, was wir dort oben sehen. Er wird schon nichts unternehmen.«
Und so berichteten sie ihm: »Wir sehen da oben zwei große Tiere. Weit oben, wo wir nicht zu ihnen gelangen können.«
»Gehen wir doch einfach hinauf und besuchen sie«, meinte der Steppenwolf.
»Na schön, aber wie können wir das tun?«
»Ach, ich kann das leicht bewerkstelligen«, sprach der Kojote. »Ich kann euch zeigen, wie man ohne jede Mühe da hinauf gelangen kann.«
Der Steppenwolf trug nun alle Pfeile zusammen, die er finden konnte, und begann dann, sie in den Himmel zu schießen. Der erste Pfeil blieb oben im Himmel stecken, und der zweite bohrte sich in den ersten. Jeder Pfeil blieb so am Ende des vorhergehenden stecken, bis eine Leiter entstand, die auf die Erde herabreichte.
»Wir können nun hinaufsteigen«, sagte der Steppenwolf. Der älteste Wolf nahm auch seinen Hund mit, dann folgten die anderen vier Wolfsbrüder und zum Schluss der Kojote.
Sie stiegen den ganzen Tag empor, bis in die Nacht hinein. Auch den ganzen nächsten Tag waren sie noch unterwegs. Viele Tage und Nächte dauerte der Aufstieg, bis sie endlich den Himmel erreicht hatten. Da standen sie nun und schauten hinüber zu den beiden Tieren, die die Wölfe von der Erde aus gesehen hatten. Es waren zwei Grizzlybären.
»Geht nicht zu nahe an sie heran«, mahnte der Kojote. »Sie werden euch zerreißen.« Doch die beiden jüngsten Wölfe waren bereits zu ihnen hin gelaufen, und die nächsten zwei folgten ihnen. Nur der älteste Wolf hielt sich noch etwas zurück.
Als die Wölfe in die Nähe der Grizzlys kamen, geschah aber überhaupt nichts. Sie setzten sich hin und sahen die Bären an und die Bären saßen da und schauten die Wölfe an. Als der älteste Wolf merkte, dass keine Gefahr drohte, ging er ebenfalls mit seinem Hund hin und setzte sich zu ihnen.
Der Steppenwolf wollte sich nicht zu ihnen gesellen. Er traute den Bären nicht. »Das gibt aber ein schönes Bild«, dachte er. »Sie sehen alle recht manierlich aus, wie sie so dasitzen. Ich glaube, ich werde es so lassen, damit es jeder sehen kann. Wenn die Menschen sie dann am Himmel betrachten, werden sie sagen: ‚Zu diesem Bild gibt es eine Geschichte‘, und sie werden eine Geschichte über mich erzählen.«
Und so beließ es der Steppenwolf auch. Während er abstieg, zog er noch die Pfeile heraus, so dass es für keinen einen Rückweg mehr gab. Von der Erde aus bewunderte er dann das Gebilde, das er dort zurückgelassen hatte. Es sieht heute noch genauso aus wie damals. Man nennt diese Sterne nun »Großer Bär«.
Wenn man hinaufschaut, sieht man die fünf Wölfe und dass der älteste Wolf — der in der Mitte — noch seinen Hund bei sich hat.
Als der Steppenwolf sah, wie sich die Sterne ausnahmen, begann er damit noch viele weitere aufzustellen. Überall am Himmel fügte er neue Bilder zusammen und schuf dann mit den Sternen, die er noch übrig hatte, die große »Milchstrasse« über den Himmel.
Als der Kojote mit seinem Werk fertig war, rief er den Wiesenstärling herbei. »Mein Bruder«, sprach er, »wenn ich gestorben bin, dann erzähle allen, wenn sie zum Himmel hinaufschauen und die Sterne so angeordnet sehen, dass ich es war, der das vollbracht hat. Das ist mein Werk.«
Und nun erzählt der Wiesenstärling auf der ganzen Welt die Geschichte von den Sternbildern und dem Kojoten, der sie geschaffen hat.
Der Kojote und die Sterne · Sage aus Nordamerika
Jeder Mensch hat dem Land gegenüber, in dem er geschützt wohnen, leben und arbeiten kann, dessen Gesetze zu beachten. Sollten diese unzulänglich sein, hat er die Pflicht diese zu verbessern, anstatt sich zu weigern, sie anzuerkennen.
Aventin