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11 · Das Unterbewusstsein

Das Unterbewusstsein · Alltagspsychologie · R.M.F · Leben

Weit entfernt davon, eine absolute Regierung zu sein, ein Selbstzweck, dem alles andere zu dienen hätte, ist unser Bewusstsein nur als eine Zentrale zu verstehen, in der die für die mannigfachen Erfordernisse des Lebens notwendigen Vermittlungen zwischen Außenwelt und Ich vorgenommen werden.

Es beleuchtet stets nur einen Teil der Außenwelt, nur den, worauf unser Lebenswillen sich richtet; es ist aber auch niemals etwa Bewusstsein des ganzen Ich, sondern stets nur der Partien derselben, die gerade lebenswichtig sind.

Aus diesem Grund geht es nicht an, das Bewusstsein mit der Seele gleichzusetzen: es ist vielmehr stets nur die Oberfläche der Seele, nur die Bühne, hinter der in Kulissen, Hintergründen und Versenkungen noch vielerlei vor sich geht, was nur indirekt ins Bewusstsein hineinwirkt.

Die »Seele« ist weit reicher, als das Blickfeld des Bewusstseins vermuten lässt. Sie ist unterkellert von dunklen, keinem Lot ermessbaren Untergründen, die wir zusammenfassend das »Unterbewusstsein« nennen. Gewiss können wir nur indirekte Kenntnis davon haben; aber erst indem wir dies Unterbewusstsein hinzufügen, wird uns das Leben der Seele verständlich.

Nennen wir das Erlebnis, das mitten im Kegel des Bewusstseinsscheinwerfers steht, das Haupt- oder Vollbewusstsein, so müssen wir zunächst hinzufügen, dass es umgeben ist von höchst komplexem Neben- oder Randbewusstsein, das jenes Hauptbewusstsein wie der helle Mondhof die Mondscheibe umdämmert und in immer blasserem Schimmer schließlich in volles Dunkel übergeht.

Das Unterbewusstsein wird im Halb- und Viertel- und Achtelbewusstsein zuletzt zu vollkommenem Unterbewusstsein, das jedoch nicht mit Nichtsein identisch ist.

Während wir uns lebhaft mit einem anderen Menschen unterhalten, ganz der Sache zugewandt, ist doch in unserer Seele außer dieser »Sache« stets ein vages Randbewusstsein von der Persönlichkeit, mit der wir reden, von dem Raum, wo wir uns befinden, und von tausenderlei anderem.

Der Gang der Unterhaltung wird keineswegs allein von den in den Worten formulierten Bewusstseinsinhalten reguliert, sondern im Grunde steht immer unsere ganze Persönlichkeit mit all ihren Trieben und allen früheren Erlebnissen, allen ihren Erinnerungen und Erkenntnissen, nur anklingenden wie völlig unbewusst bleibenden, im Hintergrund, und sie alle beteiligen sich gleichsam hinter den Kulissen, selbst dort, wo sie nicht nach vorn kommen, wo sie sich zurückhalten.

Es ist wie in einem Parlament, wo stets alle Mitglieder am Zustandekommen eines Entschlusses beteiligt sind, auch diejenigen, die dagegen stimmen, ja diejenigen, die sich der Stimme enthalten oder die Sitzung schwänzen.

Natürlich ist es schwer, im einzelnen nachzuweisen, was alles aus unserem Unterbewusstsein hineinwirkt ins Bewusstsein; aber wir können ruhig annehmen, dass auch bei scheinbar einfachsten Denk- und Willensprozessen diese heimlichen Drahtzieher beteiligt sind.

Wir würden oft staunen, welche entlegenen und halbvergessenen Motive mitwirken beim Zustandekommen unserer Pläne und Gedanken.

Unsere Seele ist weit vielspältiger, untergründiger, doppelbodiger, als wir ahnen. Man bemühe sich nur ernsthaft um Klarheit darüber, warum man den einen Menschen leiden und den anderen nicht leiden kann!

Man muss freilich ehrlich sein gegen sich selbst, muss sich klar darüber werden, dass unser Bewusstsein sich selbst zu täuschen liebt: aber sieht man durch die schillernde, schmeichlerische Oberfläche hindurch, die wir uns selbst und anderen hinhalten, so bemerken wir, dass in scheinbar ganz einfachen Ab- oder Zuneigungen ein höchst verwickeltes Knäuel von Motiven steckt, worin sich Bewunderung, Neid, Rivalität, Eitelkeit, geschlechtliche Anziehung, ästhetische, moralische, intellektuelle Bewertung und zahlreiches sonst zu sehr merkwürdigem Gemisch zusammenfinden.

Es ist sehr schwer, über das Wesen dieses Unterbewusstseins etwas Exaktes auszumachen. Man streitet darüber, ob die nichtbewussten Inhalte der Seele noch »psychisch« oder nur »physisch« zu nennen sind. Eine Definitionsfrage! Sie sind nicht psychisch, wenn man Seele und Bewusstsein gleichsetzt, sie sind nicht rein »physisch«, wenn man darunter etwas rein Materielles denkt; denn sie können doch bewusst werden. Wir würden sagen, es sind Lebensvorgänge, die zwar bewusst werden können, die aber im Augenblick nicht bewusst sind, wie uns ja das Leben eine Voraussetzung für alles Bewusstsein erschien.

Weit wichtiger als dieser Streit ist die Erkenntnis der Bedeutung dieses Unbewussten, ohne dessen Beteiligung das Bewusstsein ein wirres Spiel wäre; denn das Bewusstsein erhält Sinn erst dadurch, dass wir dahinter unbewusste Vorgänge mitdenken.

Unterbewusst sind vor allem solche Triebe und Instinkte, die nicht als Affekt ins Bewusstsein treten, die jedoch als Hemmungen oder Unterstützungen motivierend wirken; denn stets ist die ganze Seele im Spiel, auch wenn scheinbar nur ein einzelner Affekt im Bewusstsein ist.

Unbewusst sind aber auch die Vorstellungen, Begriffe, Pläne, die uns im Augenblick nicht beschäftigen, die nur im Gedächtnis »deponiert« sind, aber dennoch von dort aus stets mitspielen. Denn wenn wir ein Buch lesen, so gehört zu dessen Verständnis nicht bloß die Erfassung des jeweils gebotenen Inhalts, sondern dieser Inhalt wird von uns erst verstanden, wenn wir ihn aus dem gesamten Schatz unseres Wissens speisen, wozu auch das Nichtwachwerden zahlreicher Bedeutungen gehört, die die Worte außer der vom Autor gewünschten noch haben können.

Es ist stets unser ganzes Ich, das mitwirkt in allen unseren Handlungen und Gedanken, und jede Einzelhandlung und jeder Einzelgedanke ist nur im Zusammenhang der ganzen Persönlichkeit, deren Hauptwesen stets im Un- und Unterwusstsein ruht, zu begreifen.

Dabei bietet das Unterbewusstsein der Geheimnisse genug, auf die wir später zu sprechen kommen. Besonders die von der Psychoanalyse studierten »Verdrängungen« sind überaus interessant, Komplexe des Gefühls- und Vorstellungsleben, die, vom Hauptbewusstsein gleichsam eingekapselt, wie Verbrecher in unterirdische Keller gesperrt werden, von wo sie jedoch zuweilen heraufdrängen an die Oberwelt und dort gefährliche Störungen hervorrufen.

Das jedoch sind bereits Sonderfälle, die nicht mehr zur allgemeinen, die bereits zur differentiellen Psychologie gehören.

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Gefühle kommen und gehen wie Wolken am Himmel. Das achtsame Atmen ist mein Anker im Hier und Jetzt.


Thích Nhất Hạnh