Ulmer Spatz und Ulmer Bürger · Deutsche Sage · Münster
Als die Bürger der Stadt Ulm im Jahr 1377 begannen, ihr Münster mit dem höchsten Turm im Land zu bauen, trug sich folgende Begebenheit zu:
Für das Baugerüst waren die längsten und kräftigsten Stämme in den nahe liegenden Wäldern gefällt worden und vor das Stadttor geschafft. Dort aber merkte man, dass das Tor viel zu schmal war, um die Stämme hindurch zu bringen.
Die klugen Ulmer beratschlagten und hätten gar schon das große Tor samt dem schönen Turm darauf eingerissen, da zeigte einer von ihnen, der gerade in die Luft geguckt hatte, nach oben und rief: »Ich hab’s!«
Da sahen die Männer einen kleinen Spatz, der ihnen sonst ganz unnütz dünkte, da er nur die Körner auf dem Feld weg fraß, wie er einen langen Halm in seine Nisthöhle schleppte.
Anstatt quer mit ihm hängen zu bleiben, wie die Ulmer mit den Baumstämmen am Stadttor, zog der Spatz den Halm längs durch das kleine Loch.
Das taten die Ulmer Bürger nun ihm nach und konnten so ihr Münster doch noch fertig bauen.
Zur Erinnerung an das kluge Tier setzten sie ihm ein großes Denkmal hoch oben auf dem First des Daches vom Münster.
Dort kann man den Spatz von Ulm auch heute noch blinken sehen. Die Ulmer tragen seitdem auch den Spitznamen »Spatzen«.
Ulmer Spatz und Ulmer Bürger · Deutsche Sage · Stadt und Münster
Manche Leute wären frei, wenn sie zu dem Bewusstsein ihrer Freiheit kommen könnten.
Marie von Ebner-Eschenbach