Parabel · Das alte Mühlrad

Parabel · Das alte Mühlrad · Gemeinschaft und Zufriedenheit

In einem weit entlegenen Dorf stand an einem reißenden Bach eine alte Mühle, die immer sehr gehegt und gepflegt wurde. Seit Jahrzehnten wurde sie von einem mächtigen Wasserrad angetrieben.

Aber jetzt bebauten die Bauern ihre Felder nicht mehr, weil sich die Arbeit nicht mehr lohnte. Man konnte das fertige Mehl billiger im Laden kaufen, als man es hätte selber herstellen können. So bekam die alte Mühle eine neue Aufgabe zugewiesen.

Statt Getreide zu mahlen, trieb die Mühle nun wartungsfrei und voll automatisiert einen riesigen Generator an, einen sogenannten Stromerzeuger. Dieser versorgte das ganze Dorf mit seinen zweihundert Einwohnern mit Energie. Wenn abends die Sonne unterging und die Lichter eingeschaltet wurden, kam der Strom dazu von der alten Mühle am Bach.

Da nahte eine seltsame Nacht. Wie von einem Zauber berührt, wurden die einzelnen Teile des Rades mit einem Mal mit Leben erfüllt und sie begannen zu reden, die Speichen, die Schaufeln, die Nabe und die Hölzer des Reifens. Das war kein schönes Reden, da wurde geschimpft und gemault.

Eine Speiche donnerte los: »Wir drehen uns ganz verkehrt, ab morgen bewege ich mich rückwärts.« Und die andere meinte: »Nein, das ist falsch, seitwärts müssen wir uns neigen.« Da begannen auch die Schaufeln zu klagen, die eine wollte mehr nach links, die andere mehr nach rechts schauen.

Sogar die alten Hölzer waren mit dabei und riefen. »Ich will kein Wasserrad mehr sein, ich will an einem Wagen sitzen und auf der Straße fahren«, und ein anderes wollte sogar zu einer Windmühle gehören. Ein paar Stimmen hörte man auch warnen: »Seid doch zufrieden! Bleibt zusammen!«

Doch der Streit wurde immer fürchterlicher. Auch der Bach toste jetzt ganz grausig und mit einem lauten Lärm barst plötzlich das alte Mühlrad auseinander. Jedes Teil ging seinen Weg.

Der Generator blieb stehen, der Strom fiel aus und in den Häusern wurde es dunkel.

Lehre: Nur gemeinsam sind wir stark, wenn alle an einem Strang ziehen, und Zufriedenheit ist ein sehr wertvolles Gut.

Parabel · Das alte Mühlrad · Gemeinschaft und Zufriedenheit im Leben

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Ein bis zum Stolz gehendes Selbstbewusstsein, wenn es recht gelenkt ist, kann ein sicheres Moralprinzip werden.

Berthold Auerbach