Alexander Solschenizyn · Schriftsteller und Systemkritiker
Alexander Issajewitsch Solschenizyn (* 11.12.1918 in Kislowodsk; † 03.08.2008 in Moskau) war ein russischer Schriftsteller und Systemkritiker und wurde 1970 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet.
Solschenizyns literarisches Hauptwerk »Der Archipel Gulag« beschreibt detailliert die Verbrechen des stalinistischen Regimes der Sowjetunion bei der Verbannung und der systematischen Ermordung von Millionen von Menschen.
Solschenizyn wurde in Kislowodsk (Region Stawropol, Russland) geboren. Sein Vater, Isaakij Semjonowitsch Solschenizyn, war russischer Abstammung, seine Mutter, Taisiya Zakharovna (geb. Shcherbak), ukrainischer Abstammung.
Bereits 1936 begann Solschenizyn sich als Schriftsteller zu entwickeln. Damals entstanden die Konzepte für seine geplanten epischen Werke über den Ersten Weltkrieg und die Russische Revolution.
Solschenizyn studierte Mathematik und Physik an der Staatlichen Universität Rostow. Parallel dazu belegte er Fernkurse am Moskauer Institut für Philosophie, Literatur und Geschichte, die zu dieser Zeit allerdings stark ideologisch geprägt waren.
Während des Zweiten Welt-Krieges diente Solschenizyn als Offizier in der Roten Armee. Er war an zwei großen Aktionen an der Front beteiligt und bekam auch Auszeichnungen dafür. Während dieser Zeit wurde er mehrmals Zeuge von Kriegsverbrechen gegen die deutsche Zivilbevölkerung. Über diese Gräueltaten schrieb Solschenizyn später: »Sie wissen sehr gut, dass wir nach Deutschland gekommen sind, um Rache zu nehmen für die Nazi-Gräueltaten, die sie in der Sowjetunion begangen haben«!
In »Der Archipel Gulag« schrieb Solschenizyn: »Es gibt nichts, was das Erwachen der Allwissenheit in uns so fördert, wie beharrliche Gedanken über die eigenen Verfehlungen und Irrtümer der Gesellschaft.
Im Februar 1945, während er in Ostpreußen diente, wurde Solschenizyn verhaftet, weil er in privaten Briefen an einen Freund, Nikolai Witkewitsch, abfällige Bemerkungen über die Kriegsführung Josef Stalins geschrieben hatte. Oft auch führte er mit diesem Freund Gespräche über die Notwendigkeit einer neuen Organisation, die das sowjetische Regime ersetzen könnte und sollte.
Im Jahrzehnt der Gefangenschaft und des Exils entwickelte Solschenizyn die philosophischen und religiösen Positionen seines späteren Lebens. Auch wurde er aufgrund seiner Erfahrungen im Gefängnis und in den Lagern allmählich zu einem philosophisch gesinnten orthodoxen Christen. Er bereute einige seiner Taten als Hauptmann der Roten Armee und verglich sich im Gefängnis manchmal selbst mit den Tätern des Gulag.
1956 wurde er schließlich aus dem Exil entlassen. Nach seiner Rückkehr verbrachte er viele seiner Nächte heimlich mit Schreiben, während er tagsüber an einem Gymnasium unterrichtete.
In seiner Dankesrede für den Nobelpreis schrieb er: »In all den Jahren bis 1961 war ich nicht nur davon überzeugt, dass ich in meinem Leben keine einzige Zeile von mir gedruckt sehen würde, sondern ich wagte es auch kaum, einem meiner Bekannten zu erlauben, irgendetwas von mir zu lesen, weil ich fürchten musste, dass dies bekannt werden könnte«.
Als Solschenizyn im Jahr 1970 den Nobelpreis für Literatur erhielt, konnte er den Preis in Stockholm selbst nicht persönlich entgegennehmen. Er befürchtete, nicht wieder in die Sowjetunion einreisen zu können. Seinen Preis erhielt er schließlich bei einer Zeremonie 1974, nachdem er aus der Sowjetunion ausgewiesen worden war.
Am 8. August 1971 soll angeblich der Geheimdienst KGB versucht haben, Solschenizyn mit einem unbekannten chemischen Kampfstoff (Rizin?) auf Gelbasis zu ermorden. Bei dem Attentat erkrankte er schwer, aber er überlebte.
Am 12. Februar 1974 wurde Solschenizyn erneut verhaftet und am nächsten Tag aus der Sowjetunion nach Frankfurt deportiert. Auch wurde ihm die sowjetische Staatsbürgerschaft entzogen. Grund war, dass der KGB ein Manuskript für den ersten Teil des Archipels Gulag gefunden hatte.
In Westdeutschland lebte Solschenizyn im Haus von Heinrich Böll in Langenbroich. Danach zog er nach Zürich, bevor ihn die Stanford University einlud, in den Vereinigten Staaten zu bleiben.
1978 erhielt Solschenizyn die Ehrendoktorwürde der Harvard University, und am 8. Juni 1978 hielt er seine bemerkenswerte Antrittsrede, in der er unter anderem die Presse, den Mangel an Spiritualität und traditionellen Werten sowie den Anthropozentrismus der westlichen Kultur verurteilte. 1984 wurde Solschenizyn die Ehrendoktorwürde des Kollegs vom Heiligen Kreuz zugestanden.
Nach seiner Rückkehr nach Russland im Jahr 1994 brachte Solschenizyn in einer Reihe von Schriften, Reden und Interviews seine Bewunderung für lokale Selbstverwaltungen zum Ausdruck, wie er sie in der Schweiz und in Neuengland erlebt hatte. Dabei lobte er den vernünftigen und sicheren Prozess einer Basisdemokratie, in dem die lokale Bevölkerung die meisten ihrer Probleme selbst löst und nicht auf Entscheidungen höherer Behörden angewiesen ist.
Solschenizyn war ein Patriot. Er forderte Russland auf, allen verrückten Fantasien ausländischer Eroberung abzuschwören und eine friedliche und lange Periode der Erholung einzuleiten.
Sein Buch »Der Archipel Gulag« wurde über dreißig Millionen Mal in fünfunddreißig Sprachen verkauft. Es handelte sich hierbei um ein dreibändiges, siebenteiliges Werk über das sowjetische Gefangenenlagersystem, das auf Solschenizyns eigenen Erfahrungen und Zeugenaussagen von 256 ehemaligen Häftlingen beruht.
Zitate von Solschenizyn:
Während des Kalten Krieges haben sich die Menschen an das »Hab einen Feind« – Syndrom gewöhnt, und einige mögen jetzt sehr verwirrt sein. Aber die alte Weisheit besagt, dass der Hauptfeind des Menschen immer er selbst ist und der Hauptfeind jeder Gesellschaft. Die christliche Religion lehrt uns deshalb, vor allem das Böse in uns selbst zu bekämpfen (in einem Interview mit Le Figaro, 19. September 1993).
Ich liebe die ukrainische Kultur und wünsche der Ukraine von Herzen viel Erfolg, aber nur innerhalb ihrer wahren ethnischen Grenzen, ohne dass russische Gebiete auf dem Weg dorthin erobert werden, und schon gar nicht als Großmacht, auf die die ukrainischen Nationalisten setzen (in einem Interview mit Forbes, 9. Mai 1994).
Wenn – Gott bewahre – es an den Rand des Abgrunds käme, kann ich sagen: Niemals, unter keinen Umständen, werde ich selbst hingehen, noch werde ich meine Söhne an einem russisch-ukrainischen Gefecht teilnehmen lassen, egal wie sehr uns verrückte Köpfe dazu verleiten (aus einem Brief an das Ukrainische Wissenschaftliche Institut der Harvard-Universität, April 1981).
Die US-Behörden, die einen Sieg im Kalten Krieg witterten, konnten es dabei nicht belassen. Heute schicken sie keine Truppen um die ganze Erde zu übernehmen. Nein, das ist nicht nötig. Man kann die Erde auch wirtschaftlich und kulturell erobern, und das war’s dann (mit Vittorio Strada, 20. Oktober 2000).
Die Zeit der großen russischen Literatur ist nicht zu Ende und wird nie enden. Selbst wenn wir als Nation vom Antlitz der Erde verschwinden, wird die russische Literatur bleiben, so wie die antike Kultur nach dem Fall Roms geblieben ist (Komsomolskaja Prawda, 15. April 1996).
Die Welt hat zwar den Begriff Freiheit beibehalten, aber Sie hat ihn verändert: ein wenig Freiheit, die nur eine Karikatur einer großen ist; Freiheit ohne Verantwortung und ohne Pflichtbewusstsein , die euch jedoch auf den Weg des universellen Wohlergehens geführt hat. Aber niemand ist mehr bereit, für diese Freiheit zu sterben (in einem Interview mit Le Point, Dezember 1975).
Es wird immer angenommen, dass ein Journalist und ein Schriftsteller zwei Ebenen desselben Berufs sind. Tatsächlich sind die Berufe eines Schriftstellers und eines Journalisten genau gegensätzlich. Der Journalist muss das, was er sieht, sofort ergreifen und sofort übermitteln. Ein Schriftsteller aber sollte niemals voreilige Schlüsse ziehen und seine Argumente sollten jahrelang verteidigt werden können (Interview mit Yomiuri, 13. Oktober 1982).
Alexander Solschenizyn · Schriftsteller und Systemkritiker
Alexander Solschenizyn · AVENTIN Storys
Alexander Solschenizyn war ein russischer Schriftsteller und wurde 1970 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet.
URL: https://aventin.de/alexander-solschenizyn-schriftsteller/
Autor: N. N.
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Selbstbewusstsein ist etwas Gesundes, solange es andere nicht krank macht.
Ernst R. Hauschka