Achmed · Märchen aus Persien

Achmed · Märchen aus Persien · 1001 Nacht · Orient

In einer Stadt im alten Persien lebte ein armer Mann namens Achmed. Alle hielten ihn für einen Dummkopf, weil er ständig wiederholte: »Wenn ich Geld besäße, so wüsste ich, was ich damit anfangen würde.«

Ein Kaufmann vernahm diese Worte und bot Achmed an: »Ich will dir Geld geben, mach dich auf den Weg und treibe für mich Handel.«

Der Kaufherr gab Achmed ein wenig Geld und geleitete ihn in die Karawanserei, in der sich Kaufherrn zusammengefunden hatten, die in eine andere Stadt ziehen wollten um zu handeln.

Achmed kaufte für alles Geld alte Kleidung, verschnürte sie in mehrere Ballen und belud damit die Kamele. Als die Karawane sich auf den Weg machte und die Kaufherrn vernahmen, was für Ware Achmed mit sich führte, lachten sie ihn alle aus: »Oho, Achmed, du hast viel Verstand!«

»Wir wollen später lachen, wenn wir Verdienst und Verlust zählen«, entgegnete Achmed.

Nach ein paar Tagen gelangte die Karawane in eine große Stadt am Ufer eines breiten Flusses. Die Kaufherrn gingen in die Stadt und mieteten sich in der Karawanserei ein, Achmed jedoch blieb am menschenleeren Flussufer zurück. Er nahm seinen Kamelen die Ballen mit der alten Kleidung ab, stapelte sie zu einem Haufen und verbrannte sie. Die Asche aber verstreute er am Flussufer.

Nachts schwamm nämlich immer ein Fischschwarm in die Ufernähe, um sich hier zu tummeln. Dabei legten sie große Perlen, die sie vom Grund des Flusses geborgen hatten, ab und begannen mit ihnen zu spielen. Im Morgengrauen sammelten sie die Perlen dann wieder ein und schwammen heim.

In jener Nacht aber, von der hier die Rede ist, vermochten sie die Perlen nicht wieder einzusammeln, denn sie waren mit Asche bedeckt. Morgens fegte Achmed die Asche zusammen, siebte sie wie den Weizen auf der Tenne durch ein Sieb und sammelte mehrere Säcke voll Perlen ein.

Dann ging Achmed den Weg zurück, den die Karawane genommen hatte, sammelte etwas Kamel-Mist, rührte ihn mit Wasser an, formte Briketts und versteckte in jedem ein paar Handvoll Perlen. Als die Briketts getrocknet waren, hatte er mehrere Ballen Briketts aus Kamel-Mist fertig.

Anderntags kamen die Kaufherrn, die derweilen auf dem Basar ihre Waren verkauft hatten, zum Flussufer, um Achmed abzuholen. Der saß auf seinen fertigen Ballen und wartete auf die Begleiter.

Als die Kaufherrn Achmeds Ballen sahen, begannen sie laut zu lachen. »Ist doch ein Schlaukopf, dieser Achmed!« sagte ein Kaufherr.

»Du hast vorteilhaft alte Kleidung gegen Mist eingetauscht?!« belustigte sich ein anderer.

»Jetzt will er diese stinkende Fracht auch noch in seine Heimatstadt befördern, bei einer Entfernung von sieben Tagesreisen!« spottete ein dritter.

»Jeder handelt, wie es ihm sein Verstand eingibt«, entgegnete Achmed still.

»Bist schon ein Prachtkerl! Verstand hast du im Überfluss!« sagten die Kaufleute lachend und machten sich auf den Heimweg.

Am siebenten Tag näherte sich die Karawane der Heimatstadt, und die Kaufleute sandten einen Boten aus, um die Kunde von ihrer glücklichen Heimkehr und ihren erfolgreichen Handelsgeschäften zu verbreiten.

Der Bote eilte in die Stadt, verkündete die freudige Botschaft und berichtete alsdann, dass Achmed seine alte Kleidung gegen Mist-Briketts eingetauscht habe und sie nun bringe, um sie auf dem Basar zu verkaufen.

Das erheiterte alle Kaufherrn der Stadt ungemein, außer jenen Kaufherrn, der Achmed sein Geld anvertraut hatte. Jetzt werden mich alle verspotten, dachte er verdrossen und machte sich bittere Vorwürfe. So ging er Achmed auch nicht entgegen.

Als die Karawane in die Stadt einzog, begrüßten die Kaufherrn ihre Freunde und beglückwünschten sie zur glücklichen Rückkehr. Nur dem Achmed eilte keiner entgegen. Vielmehr verspotteten sie ihn alle. Am Abend veranstalteten die Kaufleute dann ein Festmahl. Achmed kam auch zu diesem Gelage und lud seine Kamele ab.

Der Kaufherr, der ihm sein Geld anvertraut hatte, saß finster dabei und mochte vor Scham nicht einmal den Blick heben. Die anderen Kaufherrn indes saßen auf Teppichen und ließen es sich Wohlsein und erzählten von ihren vorteilhaften Geschäften und darüber, wie sie Käufer betrogen hätten. Einer nach dem anderen prahlte mit seiner Schlauheit, und ein jeder suchte den anderen zu übertrumpfen.

Als die Reihe an Achmed kam, zu erzählen, fragten die Kaufherrn lachend: »Und du Achmed, was für Listen und Geschäfte hast du gemacht? Wie ist dir dein großer Verstand zustatten gekommen?«

Achmed erwiderte: »Was war, ist gewesen und mehr als das, was gewesen ist, benötige ich nicht.« Mit diesen Worten schüttete er die aus Mist geformten Briketts auf den Boden aus.

Das allerdings erheiterte die Kaufherrn noch mehr, und der unter ihnen, der ihm sein Geld anvertraut hatte, brüllte wütend: »Mach dich fort von hier, du Müßiggänger!«

Da begann Achmed ein Brikett nach dem anderen zu zerschlagen und glänzende Perlen rollten heraus. Mit weit aufgesperrten Mündern betrachteten die Kaufleute diese Schätze, und der von ihnen, der Achmed sein Geld anvertraut hatte, kroch wie eine Natter über den Teppich, um die Perlen einzusammeln.

Als sich auf dem Teppich ein Berg von Perlen angehäuft hatte, sagte Achmed zu den Kaufleuten, die jetzt stumm um ihn herum saßen: »Ich will keinen Handel treiben wie ihr und euch neide ich nicht um eure Geschäfte.«

Dann wandte er sich dem Kaufherrn zu, der ihm Geld gegeben hatte, und sprach: »Nimm diese Perlen! Ich habe die Kunden nicht betrogen wie die anderen Kaufherren hier und du hast dich geschämt, mich zu begrüßen.«

Mit diesen Worten verließ Achmed die Feiernden und zog von dannen.

Achmed · Märchen aus Persien · 1001 Nacht · Orient


Das Leben ist ein Spiel. Man macht keine größeren Gewinne, ohne Verluste zu riskieren.


Christine von Schweden