Zweidimensionale Tendenz

Zweidimensionale Tendenz des Geistes ~ Hermann Hesse

Goldmund hob ein leeres Schneckenhaus auf, es klirrte schwach zwischen den Steinen und war ganz warm von der Sonne.

Versunken betrachtete er die Windungen des Gehäuses, die eingekerbte Spirale, die launige Verjüngung des Krönchens, den leeren Schlund, in dem es perlmuttern schimmerte.

Er schloss die Augen, um die Formen nur mit den tastenden Fingern zu erfühlen, das war eine alte Gewohnheit und Spielerei von ihm.

Die Schnecke zwischen den losen Fingern drehend, tastende er gleitend, ohne Druck, ihre Formen liebkosend nach, beglückt vom Wunder der Formung, vom Zauber des Körperlichen.

Dies, dachte er träumerisch, war einer der Nachteile der Schule und der Gelehrsamkeit: es schien eine der Tendenzen des Geistes zu sein, alles so zu sehen und darzustellen, als ob es flach wäre und nur zwei Dimensionen hätte.

Irgendwie schien ihm damit ein Mangel und Unwert des ganzen Verstandeswesens bezeichnet.

Zweidimensionale Tendenz des Geistes ∘ Hermann HesseGoldmund

Zweidimensionale Tendenz · AVENTIN Storys

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Autor: Hermann Hesse

Bewertung des Redakteurs:
4

Wo auch immer du dich befindest, halte mal kurz inne und blicke um dich. Nimm bewusst war, wo du bist, was um dich geschieht, was deine Sinne alles aufnehmen und wie du dich genau in diesem Moment fühlst.

Aventin