41 · Symbolik des Gefühlslebens

Symbolik des Gefühlslebens · R.M.F · Alltagspsychologie

Mag das Tiefste aller Symbolik wie das tiefste Wesen alles Lebens auch ewig irrational sein, so gibt es dennoch Tatbestände, die auch festerem Zugreifen zugänglich sind.

An einigen Beispielen suchen wir deshalb zu zeigen, wie sich innerhalb der scheinbar so willkürlich spielenden Symbolik gewisse Regelmäßigkeiten doch erkennen lassen.

Wenn, wie wir annehmen, jedem seelischen Erleben eine bestimmte Symbolik entspricht, so muss es auch möglich sein, jedem unserer Typen, in die wir die Fülle der Individuen gliederten, seine typische Symbolik zuzuordnen. Es wird sich zeigen, wie die Urgeste eines jeden dieser Typen sich auch in den Symbolen wiederfindet.

Um uns nicht ins Unendliche zu verlieren, halten wir uns hier nur an die Fundamentaltriebe der Seele und das durch sie bedingte seelische Gepräge: wir überlassen es dem weiterdenkenden Leser, auch die mannigfachen Variationen dieser Urtriebe in ihrer Symbolik aufzuspüren.

Selbstvergrößerung:

Beginnen wir mit dem Typus des Menschen mit gehobenem ICH-Gefühl. Seine Urgeste steht auf Vergrößerung, und die Größe ist es daher, was er in allen Dingen sucht, mit denen er sich umgibt. Zunächst haben die Dinge »Instrumente« dieser Geste zu sein: das Ross, das den Führer trägt, der Thron, auf dem der König sitzt, der Berg, auf dem er sein Schloss erbaut, all diese Dinge sind Sockel für ihren Willen zur Größe.

Größe liebt der stolze Mensch auch im Besitz, den er begehrt, Größe selbst in dem Feind, den er hasst, auch in dem Gott, den er anbetet. Alles Kleinliche ist dem stolzen Menschen gleichgültig, ja zuwider.

An Stelle quantitativer Vergrößerung kann auch qualitative Steigerung treten. Daher liebt der stolze Mensch das Hervorstechende auch in qualitativer Hinsicht; die satte, leuchtende Farbe, den schmetternden Ton, die kraftvolle Bewegung.

Er umgibt sich mit starken Farben, er liebt Fanfaren und Posaunen, er baut sein Haus aus wuchtigen Blöcken, er wohnt am liebsten in weiten Hallen mit offenen Fenstern, durch die das Licht flutet. Er pflanzt »stolze« Bäume, Eichen oder Zedern, um sein Haus und er wählt »stolze« Tiere, Löwen oder Adler, als Wappensymbole. Größe und Kraft muss in allem liegen, was sein eigen sein soll.

Selbstverkleinerung:

Das Gegenbild der Symbolik des gesteigerten ICH-Gefühls bietet die depressive Symbolik. Hier kehrt die Urgeste der Selbstverkleinerung wieder, die bis zum Verstecken geht.

Nicht vergrößern sollen die Dinge, mit denen sich der ängstliche, demütige Mensch umgibt, sondern verkleinern und verstellen. Er sucht einen niedrigen Sitz in der Gesellschaft, auf dem er in der Menge verschwindet, er baut sein Haus an abgelegener Stelle, niedrig und unauffällig. Das Kleine und Unscheinbare erhält für ihn einen eigenen Zauber; ihm fühlt er sich verwandt.

Alles Laute und alles Grelle meidet er: er fürchtet aufzufallen, darum liebt er die matten Farben und die leisen Töne. Die Dinge sind für ihn da, um ihm Schutz zu gewähren. Alles Verborgene und Enge hat für ihn einen besonderen Stimmungsreiz; er fühlt sich am wohlsten in engen Räumen, er liebt die Dämmerung, ja das Dunkel.

In »bescheidenen« Blumen und Pflanzen spürt er Verwandtschaft, sie pflanzt er um sein Haus, und im Umgang mit »bescheidenen«, kleinen Tieren, mit Vögeln, kleinen Hunden und Katzen fühlt er sich am wohlsten. Alles Große, Stolze und Laute dagegen ist ihm wesensfremd, und darum meidet er es.

Aggressiver Charakter:

Symbole des aggressiven Charakters werden alle Dinge, die seine Urgeste der Abstoßung, der Scheidung und der Drohung irgendwie aufnehmen. Seine Instrumentalsymbole sind die Waffen des Angriffs: das Schwert, die Lanze und das Messer. Er braucht Feinde vor sich, um sich wohl zu fühlen; er schafft sich Gegner und prunkt mit seinen Widersachern.

Er trägt stolz zur Schau, was an Kampf erinnert, vor allem Narben, und seien es auch nur die Renommierschmisse studentischer Bestimmungsmensuren. Er schmückt sein Haus mit Trophäen des Kampfes: mit Schädeln, wenn er Dajak, mit Skalps, wenn er Indogener ist, mit den Waffen oder den Fahnen überwundener Feinde, wenn er christlicher Ritter ist.

Sein Haus gleicht einer Festung; es ist düster, unfreundlich, abgeschlossen nach außen, umgeben von Mauern oder stachligen Gittern. Der aggressive Mensch will die anderen abstoßen, ja herausfordern. Darum verachtet er die Schönheit, weil diese auf Einklang und Harmonie geht, er sucht die Hässlichkeit, weil sie verletzt, abstößt und beleidigt.

Darum liebt er die grelle, herausfordernde Farbe, die Dissonanz, alles, was unterscheidet, beleidigt und Feinde schafft. Blumen sind ihm gleichgültig, aber bösartige Tiere: Doggen, ja Greife und Drachen wählt er zum Emblem.

Sympathiemensch:

In der Symbolik des Sympathiemenschen kehrt dessen Urgeste der Verbindung, der Annäherung und der Gemeinsamkeit wieder. Waffen verschmäht er, er wirbt um Freundschaft und Genossenschaft. Sein Haus hat weite, offene Türen, seine Gärten sind nicht abgeschlossen und seine Zimmer sind für Gäste bereit.

Er umgibt sich mit Dingen, die an Freundschaft und Gemeinschaft erinnern: mit Bildern lieber Menschen, mit Andenken, mit Zeichen der Gemeinsamkeit. Er meidet das Hässliche und sucht alles, was gefällt, anzieht und dem Geschmack der anderen schmeichelt.

Er sucht die milden, gefälligen Farben, sucht die Harmonie in allen Dingen und fühlt sich am wohlsten im Kreis von Menschen, die er liebt. Er empfindet die anderen als Teil seines Ichs. Er liebt die Blumen, weil sie anziehen und schmeicheln, er liebt den Hund um seiner Treue und Anhänglichkeit willen, er liebt alles, was zärtlich, herzlich und gewinnend ist.

Erotik:

Die Symbolik der Erotik treibt, wie im motorischen Ausdruck, die Annäherung und Angleichung bis zur Vermischung, allerdings mit Betonung der geschlechtlichen Polarität.

Der erotische Mensch umgibt sich mit Dingen, die anlocken und verführen. Instrumentalsymbole sind – besonders auf niederer Kultur – die künstlichen Vergrößerungen der sexuellen Organe. Man findet das bei fast allen primitiven Stämmen, aber bis in die feinen Villen von Pompeji hinein reicht diese Symbolik.

Lockende, verführerische Farben, berauschende Düfte, weiche, schwellende Formen an Kissen und Accessoires, gedämpftes, schummeriges Licht ergeben die Einrichtung der Wohnung erotischer Menschen. Pflanzliche Symbole der Erotik ist alle Blumen mit berauschendem Duft; tierische Symbole der Erotik sind Schlange und Einhorn, eine seltsame Erfindung der mittelalterlichen Fantasie, auch die weiche, schmeichlerische lauernde Katze, für deren Beziehung zur Erotik Baudlaires Lyrik sehr erhellend ist.

Abschluss:

Wir wollen hier nicht weiter gehen. Wie merkwürdig die Beziehungen dieser dinglichen Symbole zum Gefühlsleben sind, wird man am besten erkennen, wenn man das Stoffliche der Künste, auch der Religionen daraufhin durchmustert. Abgründe der Seele tun sich da auf, lockend und oft schaurig zu gleicher Zeit.

Zugleich aber wollen wir auf einen jener Widersprüche aufmerksam machen, die sich ergeben, wenn die Symbole vereinzelt, herausgerissen aus dem Ganzen der Persönlichkeit, betrachtet werden. Oft nämlich symbolisieren sich die Affekte gerade in den Symbolen ihres Gegenteils, sie maskieren sich. Der Stolze verwendet die Symbolik der Bescheidenheit, der Kleinmütige umgibt sich mit den Symbolen der Macht und des Reichtums.

Er gehören schon scharfe Augen dazu, um zu sehen, ob es sich um echte Symbolik oder nur um Maskerade handelt. Wirklich scharfe Augen braucht man, die das Einzelsymbol im Zusammenhang der ganzen Persönlichkeit zu sehen wissen.

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Autor: R.M.F

Bewertung des Redakteurs:
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Das Leben ist ein Spiel. Man macht keine größeren Gewinne, ohne Verluste zu riskieren.


Christine von Schweden