Psychologie der Sprache

Psychologie der Sprache · R.M.F · Alltagspsychologie

Von allen Möglichkeiten des Ausdrucks und der Symbolik hat die kunstvollste Durchbildung jenes System klingender Ausdrucksbewegungen gefunden, das es unternimmt, die ganze Welt in seine Netze einzufangen, ja das als »Logos« sich zum Urgrund alles Denkens und Seins proklamiert hat: die Sprache.

Die Sprache ist schon viel bewundert aber auch viel gescholten worden. Man hat die Sprache gepriesen als das, was den Menschen über das Tier erhebt. Der Sprache hat man auch Zaubermacht zugeschrieben, denn durch sprachliche Formeln sollen sich Berge öffnen, Kranke genesen, Tote auferstehen und Geister dem Menschen dienstbar gemacht werden können.

Und so heißt es auch: »Und Gott sprach, und es schied sich das Licht von der Finsternis, ja es steht auch geschrieben: Im Anfang war das Wort (logos) und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort!

Daneben hat man aber die Sprache auch getadelt und lächerlich gemacht, als einen Puck mit Pritsche und Narrenschellen, der die Menschen zu sinnlosem Blindekuhspiel durcheinander wirbele, sie mit leerem Schattenspiel berausche, also dass zuweilen die Geschichte des menschlichen Denkens nur wie ein Streit um leere Worte erscheinen mag.

Um leerer Sätze willen, ja oft um ein einziges Wort, ja einen Buchstaben sogar, haben sich bereits Völker verfeindet, sind Kriege geführt und Kulturen zerstört worden. Man denke dabei zum Beispiel an den Streit um die Worte »gottgleich« und »gottähnlich«, der Athanasianer und Arianer zu jahrhundertelangem, blutigem Krieg aufeinander hetzte!

»Sobald man spricht, beginnt man auch schon zu irren«, heißt es im Sprichwort, und weiter heißt es »Spricht die Seele, so spricht, auch, schon die Seele nicht mehr«! Beides Worte von Dichtern, die ja eigentlich Bescheid wissen sollten über die Sprache.

Wir wollen hier nicht Weihrauch verdampfen lassen um die Sprache und nicht spotten, wir wollen verstehen, was sie vermag; und selbst nicht vor dem paradoxen Zwang zurückscheuen, dass wir, um die Sprache zu beurteilen, uns doch auch nur wieder der Sprache bedienen können.

Vielleicht haben Mystiker recht, dass alles letzte Wissen und alle tiefste Erkenntnis nur im Schweigen gefunden werden kann. Aber selbst wenn die Formel der Mystiker »Schweigen« das letzte Wort alles Wissens ist, so ist doch das letzte Wort eben wieder ein Wort, und wer weiß, ob in das unergründliche Licht, das die Mystiker in schweigender Schau zu erfassen glauben, nicht doch auch wieder nur die Schatten der Sprache sind.

Der Umstand, dass auch Mystiker geredet haben, reden mussten, wenn sie wirken wollten, zeigt, dass auch die grundsätzlichen Verneiner der Sprache nicht vor der Paradoxie zurückscheuen, sich eben dieser Sprache zu bedienen.

»Der Name, den man nennen kann, ist nicht der ewige Name. Jenseits des Nennbaren liegt der Anfang der Welt«, heißt es im ersten Spruch des TaoTeKing; aber er ist doch der erste Spruch eines ganzen Buches, das letzten Endes nichts als Worte enthält, wenn es auch, wie alle Worte, etwas damit einfangen will, was jenseits der Worte liegt.

Widerspruch über Widersprüche! So sicher es ist, dass die Begriffe der Sprache das letzte Geheimnis des dunkel flutenden Seins niemals erschöpfen können, es sind doch die einzigen Eimer, die uns gegeben sind, ein wenig aus jener dunklen Flut ans Licht zu heben.

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Autor: R.M.F

Bewertung des Redakteurs:
4

Jeder Mensch hat die Aufgabe sein tägliches Leben bewusst zu leben und jede Stunde und Minute des Tages mit Bewusstsein zu erfüllen.

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