Paraphrase über ein Thema

Paraphrase über ein Thema · Satire · Ephraim Kishon

Die Geschichte handelt von einem Neueinwanderer aus dem europäischen Osten mit dem Namen Woitzitzky. Sein Ehrgeiz war von Kindesbeinen an, eine irgendwie amtliche Tätigkeit auszuführen, und gleich nach seiner Ankunft in Tel Aviv bewarb er sich um den Posten eines Portiers im Rathaus.

Woitzitzky ist ein geborener Schlemihl mit zwei linken Füßen und großen, runden Augen, die verschreckt in eine unbegreifliche Welt blicken. Er spricht kein Wort Hebräisch. Aber soviel wusste er, dass über die Vergebung eines Postens, für den Hunderte von Bewerbungen außer der seinen vorlagen, in letzter Instanz ein gewisser Schultheiß zu entscheiden hatte.

Woitzitzky ging zu seinem Onkel, einem alteingesessenen Israeli, und bat ihn um Hilfe. Der Onkel hatte einmal erwähnt, dass er gelegentlich mit Schultheiß im Kaffeehaus Schach spielte. Der Onkel krümmte sich vor Verlegenheit, denn seine Bekanntschaft mit Schultheiß war eine oberflächliche, gab aber schließlich dem Drängen seines hilfsbedürftigen Neffen nach und versprach ihm, bei nächster Gelegenheit mit Schultheiß zu sprechen.

Die nächste Gelegenheit kam erst Monate später, nach einem der vielen persönlichen Besuche, die der Neffe seinem Onkel zum Zwecke des weiteren Drängens abstattete.

»Ja, ich habe mit ihm gesprochen«, sagte der Onkel. »Und ich habe ihn dazu bewegen können, deinen Namen in sein Geheimnotizbuch einzutragen. Aber zur Sicherheit solltest du dich noch um andere Interventionen umsehen.«

Dankbar küsste Woitzitzky die Hand seines Wohltäters, eilte zu der für ihn zuständigen Einwandererhilfsorganisation und warf sich dem geschäftsführenden Sekretär zu Füßen. Der ließ sich erweichen und ging persönlich ins nahe gelegene Rathaus, um bei Schultheiß zu intervenieren. Woitzitzky wartete.

»Es war nicht leicht«, berichtete hernach der Sekretär. »Ich musste zuerst eine halbe Stunde antichambrieren und dann eine Stunde lang in ihn hineinreden. Aber ich hatte Erfolg. Er zog sein Geheimnotizbuch hervor und unterstrich den Namen Woitzitzky mit roter Tinte.«

Woitzitzky wusste vor Seligkeit und Dankbarkeit nicht mehr ein noch aus. Fortan verrichtete er im Haus des Sekretärs niedere Dienste, schrubbte die Stiege und führte den Hund spazieren. Zwischendurch bemühte er sich bei anderen wichtigen Persönlichkeiten um die Unterstützung seines Anliegens.

Ein Mitglied des Stadtrates, zu dem er sich Zutritt verschafft hatte, diktierte in seiner Gegenwart einen Empfehlungsbrief, den am nächsten Tag abzuschicken er versprach. Woitzitzky schwamm auf Wogen des Glücks.

Wenige Tage später begegnete er einem Landsmann aus der alten Heimat, der es zu einer einflussreichen Stellung im kulturellen Leben der Stadt gebracht hatte und sich bei Schultheiß persönlich für seinen alten Freund verwenden wollte.

Auch er wusste alsbald Ermutigendes von Schultheiß' Reaktion zu erzählen. Und es kamen noch andere hinzu, die alle bei Schultheiß vorsprachen und alle mit froher Botschaft zu Woitzitzky zurückkehrten.

Und siehe da, nach über einem halben Jahr bestellte ihn Schultheiß selbst zu sich ins Rathaus: »Ich gratuliere Ihnen«, sagte er. »Sie haben den Posten bekommen. Und wissen Sie, warum gerade Sie? Unter den Hunderten von Bewerbern? Weil Sie der einzige waren, für den niemand interveniert hat. . . !«

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Paraphrase über ein Thema · Satire · Ephraim Kishon · Die Geschichte handelt von einem Neueinwanderer aus dem europäischen Osten.

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Autor: Ephraim Kishon

Bewertung des Redakteurs:
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