Maley und Malone · August Kopisch

Maley und Malone · August Kopisch

Auf einer Insel im Meer da lebten der Hirten zwei:
Der eine hieß Malone, der andere hieß Maley.
Sie hatten beide eine Herde von Schafen geerbt:
Die Erbschaft hat Malone, sowie Maley verderbt.

Einst trieben sie zusammen; doch wie im Kriege gings:
Der wollte rechts hin treiben, der trieb dann wieder links.
Und endlich kam es zum Teilen, da blieb zuletzt ein Schaf:
Der Zank um dieses brachte sie erst um Ruh und Schlaf.

Malone wollte es schlachten: »Wir hauen es dann entzwei!«
»Erst soll es Wolle geben!« behauptete Maley.
Maley bedurfte Strümpfe: »Komm, scheren wir es heut!«
Malone meint, es wäre zum Scheren nicht die Zeit.

»So scher ich meine Seite: scher du die andre dann!«
Malone wollt’s nicht leiden, doch hat’s Maley getan.
Nun fiel das Schaf vom Winde verweht in einen Felsenspalt.
Man zog es hervor am Morgen, da war es tot und kalt.

»Maley, das Schaf erfror da, weil du’s geschoren hast!«
»Nein« sprach Maley »es stürzte, weil es der Sturm gefasst!
Hättest du es auch geschoren, so fasste der Sturm es nicht,
Und fasst er’s auch – es hielt sichs doch mehr im Gleichgewicht!«

Sie gehen vor die Richter und klagen mit großem Schall
»Ei«, sagten da die Herren, »welch interessanter Fall!«
Sie schlugen nach die Bücher; man zankte manch ein Jahr,
Bis Maley und Malone ohne Schaf und Wolle war.

Maley und Malone · August Kopisch · Gedicht

Maley und Malone · August Kopisch · AVENTIN Storys

Maley und Malone · August Kopisch · Gedicht · Auf einer Insel im Meer da lebten der Hirten zwei: Der eine hieß Malone, der andere hieß Maley.

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Autor: August Kopisch

Bewertung des Redakteurs:
4

Jeder Tag ist ein kleines Leben, das heißt: ein zu bewältigendes Angebot und nicht ein Berg, den wir nicht übersteigen können.

Liselotte Nold