Ivan und seine Frau

Ivan und seine Frau · Märchen aus England · Kathedrale Exeter

Es waren einmal ein Mann und eine Frau, die lebten im Kirchspiel von Llanlavan an ein Ort, der Hwrdh genannt wird. Da es dort wenig Arbeit gab, sprach der Mann zu seiner Frau: »Ich werde fortgehen und mir Arbeit suchen, du kannst hierbleiben.«

Also nahm er von ihr Abschied und reiste weit nach Osten, bis er schließlich zum Haus eines Farmers kam, wo er um Arbeit vorsprach.

»Was kannst du arbeiten?« fragte der Farmer.

»Alle Arten von Arbeit«, sagte Ivan. Dann einigten sie sich auf einen Jahreslohn von drei Pfund. Als das Jahr herum war, kam der Herr und hatte die drei Pfund in der Hand. »Schau Ivan«, sprach er, »hier ist dein Lohn. Aber ich gebe ihn dir nicht. Statt dessen gebe ich dir einen guten Rat.«

»Gib mir meinen Lohn«, sprach Ivan verärgert.

»Mit dem Rat, den ich dir geben werde, wirst du besser fahren«“, sagte der Herr. »Hör ihn dir erst einmal an!«

»Also dann sag…!?« sprach Ivan kleinlaut.

»Verlass nie eine alte Straße um einer neuen willen«, sagte der Herr.

Und danach wurden sie sich einig, dass Ivan noch einmal ein Jahr für den Mann arbeiten werde, zum gleichen Lohn. Und als das Jahr wieder herum war, bekam Ivan statt Geld wieder einen Rat. Diesmal lautete er:

»Wohne nie bei einem alten Mann, der mit einer jungen Frau verheiratet ist.«

Auch im dritten Jahr ging es nicht anders. Diesmal war der Rat des Herrn:

»Ehrlichkeit währt am längsten.«

Ivan wollte darauf hin nicht länger bleiben. Er hatte Sehnsucht nach seiner Frau.

»Geh nicht heute fort«, sagte sein Herr, »morgen bäckt meine Frau. Sie soll dir einen Kuchen mitgeben für deine Frau.«

Als nun Ivan endlich aufbrach, sprach der Herr: »Hier ist der Kuchen, und wenn du mit deiner Frau lustig und zufrieden bist, dann schneidet den Kuchen an, aber nicht eher.«

Also wanderte Ivan seiner Heimat entgegen und kam schließlich nach Wayn Her. Dort traf er drei Kaufleute aus Tre Rhyn, seinem eigenen Kirchspiel, die kamen gerade von der Exeter Messe zurück.

»Oho, Ivan«, sagten sie, »komm mit uns. Wir freuen uns, dich zu sehen. Wo hast du denn so lange gesteckt?«

»Ich war als Knecht in Diensten«, sagte Ivan, »und nun bin ich auf dem Heimweg zu meiner Frau.«

»Ach, komm mit uns. Du bist uns willkommen.« Aber während sie die neue Straße einschlugen, behielt Ivan seinen Weg auf der alten Straße bei. Da fielen Räuber über sie her, noch ehe sie weit von Ivan entfernt waren.

Die Kaufleute riefen erschreckt: »Diebe Diebe!« Und Ivan, etwas entfernt, rief auch: »Diebe…? Wartet, es kommt gleich Hilfe!«

Und als die Diebe Ivans Geschrei hörten, meinten sie, viele Leute kämen herbei, ließen von den Kaufleuten ab und rannten davon.

Die Kaufleute zogen sodann die neue Straße weiter. Ivan aber nahm die alte Straße unter seine Füße, bis sie sich in Market-Jew wieder trafen.

»Oh Ivan«, sagten die Kaufleute, »ohne dich wären wir verloren gewesen. Wir schulden dir etwas. Komm, wohne mit uns. Wir zahlen für dich mit. Du bist uns willkommen.«

Als sie nun zu einem Gasthaus kamen, in dem die Kaufleute gewöhnlich übernachteten sprach Ivan: »Zunächst einmal muss ich sehen, wer hier der Wirt ist.«

»Der Wirt?«, riefen die Kaufleute. »Was willst du denn mit dem Wirt? Hier ist vor allem die Wirtin wichtig. Sie ist jung und hübsch. Der Wirt ist ein alter Knochen. Er steht in der Küche am Herd.«

»Das ist schlecht«, sagte Ivan, »hier bleibe ich nicht. Ich ziehe lieber nach nebenan.«

»Ach was«, sagten die Kaufleute, »iss mit uns. Du bist uns willkommen.«

Nun war es aber so, dass sich die hübsche junge Wirtin mit einem Mönch verschworen hatte, ihren alten Mann nachts im Bett zu ermorden und den Verdacht auf die Gäste zu lenken.

Als Ivan im Bett lag, sah er einen Lichtschein, der durch ein Loch fiel, das sich in der Wand zwischen den beiden Häusern befand. Ivan stand auf, schaute und horchte.

Da hörte er den Mönch sagen: »Besser, wir verdecken das Loch. Die Leute im Nachbarhaus könnten uns sonst auf die Schliche kommen.« Darauf stellte er sich mit dem Rücken gegen das Loch, während die Wirtin den alten Mann tötete.

Unterdessen aber hatte sich Ivan ein Messer geholt, war damit durch das Loch gefahren und hatte einen runden Fetzen aus dem Kleidungsstück geschnitten, das der Mönch trug.

Am nächsten Morgen erhob die Wirtin großes Geschrei. Ihr Mann sei ermordet worden. Niemand sei im Haus gewesen außen den Kaufleuten. Die müssten bestraft werden, kreischte sie. Und man brachte die Kaufleute ins Gefängnis, und dort besuchte sie Ivan.

»Das Unglück klebt an unseren Sohlen«, riefen sie, als er vor ihnen stand. »Der Wirt ist in der letzten Nacht ermordet worden, und uns will man dafür bestrafen!«

»Sagt doch dem Richter, er soll den wahren Mörder festnehmen lassen.«

»Aber wer ist der Mörder? Wer hat dieses scheußliche Verbrechen begangen?« fragten die Kaufleute.

»Ich werde das beweisen, und wenn mir das nicht gelingt, dann will ich statt eurer ins Gefängnis gehen.«

Un er erzählte ihnen, was er in der Nacht entdeckt hatte, und gab ihnen den Fetzen vom Gewand des Mönchs. Damit konnten sie ihre Unschuld beweisen. Die Wirtin und den Mönch aber ergriff man und warf diese ins Gefängnis.

Gemeinsam verließen Ivan und die Kaufleute Market-Jew, und die Kaufleute sagten: »Komm mit uns bis Coed Carrn y Wylfa im Kirchspiel Burnam.« Dort trennten sich ihre Wege, denn Ivan wollte rasch heim zu seiner Frau.

Als seine Frau ihn vor sich sah, rief sie: »Du kommst gerade recht. Ich habe eben einen Beutel mit Geld gefunden. Der Beutel trägt keinen Namen, aber gewiss gehört er einem großen Herrn. Ich habe mir gerade überlegt, was ich tun soll. Jetzt magst du entscheiden, was mit dem Beutel geschehen soll.«

Ivan bedachte den dritten Rat und sagte: »Komm, wir wollen dem großen Herrn den Beutel zurückgeben.«

So gingen sie auf das Schloss, aber der große Herr war nicht zu Hause, und sie ließen den Beutel bei einem Diener zurück, der ihnen das Tor aufgetan hatte, gingen wieder heim und lebten glücklich und zufrieden.

Eines Tages nun klopfte der hohe Herr an die Tür ihrer Hütte und bat um einen Schluck Wasser. Da sagte Ivans Frau: »Ich hoffe, Euer Gnaden haben den Beutel mit all dem Geld bekommen.«

»Von was für einem Beutel sprecht ihr?« fragte der Herr.

»Es muss doch wohl Euer Beutel gewesen sein«, sagte Ivan, »wir haben ihn schon vor einiger Zeit am Schloss-Tor abgegeben.«

»Kommt mit. Der Sache wollen wir auf den Grund gehen«, sagte der hohe Herr.

Also folgten ihm Ivan und seine Frau zum Schloss, und dort stelle sich heraus, dass der Diener das Geld veruntreut hatte. Er wurde davon gejagt.

Von Ivan aber war der hohe Herr so angetan, dass er ihn statt des entlarvten Diebes als Diener auf dem Schloss bei sich behielt.

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Autor: Märchen aus England

Bewertung des Redakteurs:
4

Das Unbewusste ist gewissermaßen der Mutterboden, aus dem Bewusstsein wächst.

Carl Gustav Jung