Innen-Außendienst

Innen-Außendienst des Bewusstseins · Alltagspsychologie 

In sieben verschiedenen Richtungen also, die alle doch nur Verzweigungen des einheitlichen Grundstrebens zum Leben sind, entfaltet sich das Dasein, einem Springbrunnen gleich, dessen einheitlicher Grundstrom sich in sieben Strahlen zerteilt und wieder in das gleiche Becken zurückströmt.

So wenigstens stellt sich uns das Leben dar, wenn wir die organischen Wesen beobachten und ihre Organe auf das Leben hin deuten.

Wo dabei bei niederen Tieren Bewusstsein anzusetzen ist, können wir schwer sagen. Die Forscher schwanken. Während die einen geneigt sind, noch in den hochkomplizierten Leistungen von Bienen und Ameisen reine Mechanismen zu sehen, scheuen andere nicht davor zurück, selbst den Pflanzen ein gewisses, wenn auch dem menschlichen Leben unähnliches Bewusstsein zuzuschreiben.

Wir haben es hier nur mit dem menschlichen Bewusstsein zu tun, das wir als Auswirkung des Lebens verstehen wollen.

Versuchen wir also, uns gleichsam über unser eigenes Innere beugend, hineinzuschauen in unser Bewusstsein! Wie im dunklen Vogelhaus huschen da bunte und schattenhafte Wesen durcheinander, sich blitzschnell unserem Zugriff entziehend, wenn wir sie haschen wollen.

Diejenigen aber, die wir am leichtesten greifen können, die uns deutlichere Umrisse und Farben bieten, scheinen uns Lügen zu strafen; denn sie offenbaren uns recht wenig über uns selbst und unser Leben, sie weisen uns vielmehr in den Raum hinaus; nicht auf das Ich beziehen sie sich, sondern gerade auf das Nicht-Ich, die Außenwelt.

Wir fassen da alles das, was uns unsere Sinne liefern, die Farben, Töne, Gerüche usw., kurz, die »Empfindungen«, die allerdings nicht einzeln, sondern zu Komplexen, den »Wahrnehmungen« von »Dingen« mancherlei Art, zusammengeballt und eingeordnet sind in noch größere Komplexe, den räumlich-zeitlichen Zusammenhang, in dem unser Ich sich als Mittelpunkt fühlt.

Weniger greifbar sind schon die schattenhaften »Erinnerungen« oder »Fantasiebilder«, ebenso die an die Worte der Sprache geknüpften »Begriffe«, die in nur losem Zusammenhang mit jenem Vordergrundbewusstsein durch die Seele huschen, die aber doch fast alle in die Außenwelt hinausweisen, wenn sie auch oft diese Aussenwelt in kühner Weise umformen.

Aber unsere erste Annahme, dass das Bewusstsein uns über unser eigenes Leben Kund gäbe, scheint durch all das nicht bestätigt, eher widerlegt.

In der Tat hat sich sogar die Wissenschaft vielfach täuschen lassen, indem sie glaubte, das Bewusstseinsleben von diesen Wahrnehmungen und Vorstellungen aus, also das Leben des »Ich« von Einwirkungen des »Nicht-Ich« deuten zu können.

Aber man hat inzwischen tiefer sehen gelernt und erkannt, dass sich zwischen diese Bilder der Außenwelt allenthalben andere, schwerer fassbare Erlebnisse drängen, die jene Bilder mannigfach färben und umgestalten, die sie gruppieren und durcheinander wirbeln und die auf die eigentlich bewegenden Kräfte in dem bunten Kinematographen unseres Bewusstsein hinweisen.

Wohl werden sie uns meist nur im Zusammenhang mit jenen Aussenweltsbildern bewusst, aber dennoch zeigt sich bei eindringender Analyse, dass sie darüber entscheiden, welche Bilder überhaupt im Rahmen des Bewusstsein aufleuchten, weil in ihnen die latenten Kräfte des Ich lebendig werden.

Es sind das alle jene »unanschaulichen Erlebnisse«, die wir als »Strebungen, Willensregungen, Gefühl, Affekte« oder ähnlich bezeichnen, und in denen eben das Ich spricht, das Leben. In die halbdunkle Unterwelt dieser Erlebnisse müssen wir hinabsteigen, wenn wir verstehen wollen, warum jene Bilder in uns auftauchen, und wieso sie sich zusammenfügen und umgestalten.

Nicht in den Vorstellungen und den Gedanken, nur im Streben, Wollen und Fühlen offenbart sich uns das Ich und das Leben. Diese sind das Primäre, jene das Sekundäre. Das ist der Standpunkt der »voluntaristischen« Psychologie im Gegensatz zur »intellektualistischen«, die im Verstand, im Vorstellen der Außenwelt das Wesen des Bewusstseins erblicken will.

Für uns sind alle jene Wahrnehmungen und Vorstellungen nur die Lichter, die dem Streben und Wollen dienen, damit es sich zurechtfinden kann in der Aussenwelt. Das Wesen des Ich aber, das sich jene Lichter anzündet, wird nur im Fühlen und Wollen offenbar, das heißt im Bewusstwerden jener Strebungen, die wir als das Wesen des leiblichen Lebens bereits kennen lernten.

Sehen wir also im Bewusstsein eine Dienststelle, ein Ministerium, das die Verbindung zwischen Innenwelt und Außenwelt vermittelt, so haben wir darin einen Innendienst und einen Außendienst zu unterscheiden, wobei in der Regel der Außendienst dem Innendienst untergeordnet ist.

Wir haben zu trennen ein »Ich- oder Innenbewusstsein«, das wir auch »Subjekt- oder Zustandsbewusstsein« nennen, und das alles Streben, Wollen, Fühlen umfasst, und andererseits ein »Nicht-Ich- oder Aussenbewusstsein«, das wir auch »Objekt- oder Gegenstandsbewusstsein« nennen, wozu alle »Wahrnehmungen, Vorstellungen und Gedanken« gehören.

Grundsätzlich sind beide Arten des Bewusstseins zu trennen: im einzelnen Fall sind stets das Denken, Wahrnehmen, Vorstellungen oder andere nach außen gerichtete Akte geleitet von Ich-Interessen und durchsetzt von Ich-Bewusstsein; und all unser Streben und Fühlen, wie jeder andere Ich-Zustand, ist mitbestimmt durch Einflüsse der Außenwelt.

Und doch ist es nötig, wenn man die Seele verstehen will, deutlich zu sondieren zwischen Zustand und Gegenstand, zwischen Subjekt und Objekt, zwischen Innen- und Außenwelt.

Innen-Außendienst des Bewusstseins · Vom Sinn des Lebens · R.M.F · Alltagspsychologie

Innen-Außendienst · AVENTIN Storys

Innen- Außendienst des Bewusstseins – R.M.F – Alltagspsychologie - In sieben verschiedenen Richtungen also, die alle doch nur Verzweigungen

URL: https://aventin.de/innen-aussendienst-des-bewusstseins/

Autor: R.M.F

Bewertung des Redakteurs:
4

Niemand ist nutzlos in dieser Welt, der einem anderen die Bürde leichter macht.

Charles Dickens