Hopp-Frosch · Edgar Allen Poe

Hopp-Frosch · Edgar Allan Poe · Fiktion

Ich habe niemals jemanden gekannt, der so sehr zu Scherz und Spaß aufgelegt war wie der König; es war geradezu sein Lebenselement. Eine lustige Geschichte gut erzählen – das war der sicherste Weg, um sich bei ihm in Gunst zu setzen. 

So kam es, dass seine sieben Minister alle dafür bekannt waren, vollendete Spaßmacher zu sein. Sie glichen auch sonst dem König: sie waren nicht nur unvergleichliche Witzbolde, sondern auch große, korpulente, fette Männer. Ob die Leute vom Scherzen fett werden, oder ob die Veranlagung zu Spaß und Scherz bei fetten Leuten besonders stark entwickelt ist, habe ich nie ganz genau feststellen können; Tatsache aber ist, dass ein magerer Spaßmacher ein ‚rara avis in terris‘ ist.

Aus den Feinheiten oder, wie er sagte, dem Geist des Witzes machte der König sich wenig. Er bewunderte hauptsächlich die Breite eines Scherzes, und um ihretwillen ließ er sich auch die Länge gefallen. Übergroße Feinheiten langweilten ihn. Er würde Rabelais Gargantua dem Zadig Voltaires vorgezogen haben, und alles in allem gefiel es ihm besser, einen Streich auszuführen, als einen erzählt zu bekommen.

Zu der Zeit, in der meine Geschichte spielt, waren berufsmäßige Spaßmacher bei Hofe noch nicht ganz aus der Mode gekommen. Mehrere Großmächte des Kontinents hatten noch ihre Narren in Narrenkleid und Schellenkappe, die zum Dank für die Brosamen, die ihnen an des Königs Tisch zufielen, stets zu Spott und Witz bereit sein mussten.

Unser König hatte selbstverständlich noch seinen Hofnarren. Tatsache ist, dass er ein wenig Narrheit um sich brauchte – sei es auch nur als Gegengewicht gegen die ungeheure Weisheit der sieben weisen Männer, seiner Minister – von ihm selbst gar nicht zu reden.

Sein Narr oder Spaßmacher war von Beruf jedoch nicht nur ein Narr. Sein Wert wurde in den Augen des Königs dadurch verdreifacht, dass er außerdem ein Zwerg und ein Krüppel war. In jenen alten Tagen waren die Zwerge nicht seltener als die Narren, und viele Herrscher hätten es schwer gefunden, die Tage hinzubringen (und bei Hofe sind die Tage länger als sonstwo) ohne einen Spaßmacher, mit dem sie lachen und einen Zwerg, über den sie lachen konnten. 

Doch wie ich schon bemerkte, sind in neunundneunzig von hundert Fällen die Witzbolde fett, rund und schwerfällig – so dass unser König sich wirklich gratulieren konnte, in Hopp-Frosch (das war des Narren Name) in einer Person einen dreifachen Schatz zu besitzen.

Ich glaube nicht, dass der Zwerg schon bei der Taufe den Namen Hopp-Frosch zuerteilt bekam, er verdankte ihn vielmehr dem weisen Rat der sieben Minister und seiner eigenen Unfähigkeit, wie andere Menschen aufrecht einher zu gehen. 

Hopp-Frosch konnte sich nur mittels eines ganz absonderlichen Verfahrens vorwärts bewegen – es war halb ein Sprung, halb ein schlängelndes Vorschleudern des Körpers – eine Gangart, die allen bei Hofe unglaublichen Spaß machte und dem König ein rechter Trost war, denn im Vergleich zu seinem Narren galt er selbst trotz seines gewaltig vorspringenden Leibes und seines chronischen Wasserkopfes für einen schön gebauten Mann.

Doch obgleich Hopp-Frosch infolge seiner missgestalteten Beine sich auf ebener Erde nur mühsam und unter Schmerzen vorwärts zu bewegen vermochte, konnte er da, wo es sich um Klettern handelte, ganz Außergewöhnliches leisten; denn die Natur hatte ihn für die Unvollkommenheit seiner unteren Gliedmaßen mit einer unerhörten Muskelkraft der Arme ausgestattet. Wenn er so auf Bäumen und an Seilen herumkletterte, glich er weit eher einem Eichhörnchen oder einem kleinen Affen als einem Frosch.

Ich bin nicht imstande, mit Bestimmtheit anzugeben, aus welchem Land Hopp-Frosch stammte. Jedenfalls war es irgendeine unwirtliche Gegend, von der niemand etwas wusste – und weit entfernt vom Hof unseres Königs. Hopp-Frosch und ein junges Mädchen von fast ebenso zwerghafter Gestalt wie er selbst (nur dass sie wohlproportioniert und eine wunderbare Tänzerin war) waren aus ihrer Heimat gewaltsam in benachbarte Provinzen verschleppt worden, von wo einer seiner stets siegreichen Generale sie dem König zum Geschenk sandte.

Unter solchen Umständen ist es nicht verwunderlich, dass zwischen den beiden kleinen Gefangenen eine innige Freundschaft erwuchs. Hopp-Frosch, der trotz seiner Kurzweiligkeit keineswegs beliebt war, war nicht in der Lage, Tripetta große Dienste erweisen zu können; sie aber wurde (trotz ihrer Zwergengestalt) dank einer seltenen Anmut und Lieblichkeit allgemein verehrt und verhätschelt; sie hatte also eine große Macht und versäumte nie, sich ihrer, sobald es not tat, zugunsten Hopp-Froschs zu bedienen.

Anlässlich irgendeines großen Staatsereignisses (was es war, habe ich vergessen) hatte der König beschlossen, ein Maskenfest zu geben; und wann immer ein Maskenfest oder dergleichen an unserem Hofe stattfinden sollte, rief man die Talente sowohl Hopp-Froschs wie Tripettas zu Hilfe. Hopp-Frosch vor allem war so erfinderisch in der Zusammenstellung von Festaufzügen und wusste so prächtige Masken zu ersinnen, dass es war, als sei ohne seinen Beistand nichts zu machen.

Die Festnacht war gekommen. Eine glänzende Halle war unter Tripettas Aufsicht mit allem ausgeschmückt worden, was geeignet schien, einen stimmungsvollen Hintergrund zu einem Maskenfest zu schaffen. Der ganze Hof war in fieberhafter Erwartung. Was die Wahl der Masken und Kostüme anlangte, so darf wohl angenommen werden, dass ein jeder seine Entscheidung getroffen hatte. 

Viele hatten schon Wochen, ja Monate vorher beschlossen, welche Rolle sie zu spielen gedachten; und wirklich gab es auch keine Unentschlossenheit mehr – ausgenommen beim König und seinen sieben Ministern. Warum gerade sie noch zögerten, wüsste ich nicht zu sagen, es sei denn, weil ihnen dies spaßhaft vorkam. Wahrscheinlicher ist es, dass es ihnen einfach nur schwer fiel, für ihre fetten Gestalten eine passende Rolle zu finden. Kurzum, die Zeit entfloh, und als letzte Rettung ließen sie Tripetta und Hopp-Frosch rufen.

Als die beiden kleinen Freunde dem Befehl des Königs nachkamen, fanden sie ihn mit den sieben Mitgliedern seines Kabinettrates beim Weintrinken sitzen. Aber der Herrscher schien sehr übler Laune zu sein. Er wusste, dass Hopp-Frosch den Wein nicht liebte, da das Trinken den armen Krüppel bis zum Wahnsinn aufregte, und Wahnsinn ist kein angenehmer Zustand. Aber dem König, der es liebte, jemandem einen Schabernack zu spielen, machte es Spaß, Hopp-Frosch zum Trinken zu zwingen und ihn (wie der König es nannte) lustig zu machen.

»Komm her, Hopp-Frosch«, sagte er, als der Spaßmacher und seine kleine Gefährtin ins Zimmer traten. »Leere diesen Becher auf die Gesundheit deiner fernen Freunde (hier seufzte Hopp-Frosch), und dann begnade uns mit deiner Erfindungsgabe. Wir brauchen Rollen – Rollen, Mann – irgend etwas Neues – noch nicht Dagewesenes! Wir haben das ewige Einerlei satt. Komm, trink! Der Wein wird dich erleuchten.«

Hopp-Frosch versuchte wie immer so auch diesmal, des Königs wohlwollende Ansprache mit einem Scherz zu beantworten, aber die Anstrengung war zu groß. Gerade heute nämlich war des armen Zwerges Geburtstag, und der Befehl, seinen abwesenden Freunden zuzutrinken, zwang ihm Tränen in die Augen. Große und bittere Tropfen fielen in den Kelch, den er demütig aus der Hand des Tyrannen entgegennahm.

»Ah! Hahaha!« grölte letzterer, als der Zwerg den Becher widerwillig leerte. »Seht, was so ein Glas guten Weins vermag! Wahrhaftig, deine Augen glänzen schon!«

Armer Kerl! Seine großen Augen glänzten nicht nur, sie glühten; denn auf sein leicht erregbares Hirn hatte der Wein nicht nur eine gewaltige, sondern auch eine augenblickliche Wirkung. Er stellte den Becher mit bebender Hand auf den Tisch und sah sich mit halb irrsinnigen Blicken in der Gesellschaft um. Alle Anwesenden hatten ihre Freude an dem sichtlichen Erfolg des königlichen Scherzes.

»Und jetzt an die Arbeit!« sagte der Premierminister, ein sehr fetter Mann.

»Ja«, sagte der König. »Komm, Hopp-Frosch, leihe uns deinen Beistand. Charakterrollen, mein hübscher Junge! Es mangelt uns an Charakteren – uns allen – hahahaha!« Und da diese Äußerung offenbar scherzhaft gemeint war, lachten seine sieben Minister mit.

Hopp-Frosch lachte auch – aber nicht sehr herzhaft.

»Vorwärts, vorwärts«, sagte der König ungeduldig, »kannst du uns keinen Vorschlag machen?«

»Ich bin bemüht, etwas Neues zu ersinnen«, antwortete der Zwerg zerstreut, denn er war trunken vom Wein.

»Bemüht!« schrie der Tyrann wütend; »was meinst du damit? Ah, ich sehe, du bist missgestimmt und brauchst noch mehr Wein. Hier, trink!« Und er goß einen zweiten Becher voll und bot ihn dem Krüppel; der rang nach Atem und rührte sich nicht.

»Trink, sage ich!« brüllte der Unhold, »Oder beim Teufel …«

Der Zwerg zögerte. Der König wurde purpurrot vor Zorn. Die Höflinge schmunzelten. Tripetta näherte sich leichenblass dem König, warf sich vor ihm auf die Knie und beschwor ihn, ihren Freund zu schonen.

Der Tyrann war von ihrer Kühnheit verblüfft. Einen Augenblick sah er sie verwundert an. Er schien in großer Verlegenheit: – was sollte er tun, was sagen, wie seinem Zorn Luft machen? Endlich stieß er sie wortlos zurück und schüttete ihr den ganzen Inhalt des Bechers ins Gesicht.

Das arme Mädchen erhob sich wankend und nahm – ohne auch nur einen Seufzer zu wagen – ihren Platz am Fuße des Tisches wieder ein.

Eine halbe Minute lang herrschte Totenstille; man hätte ein Blatt zu Boden fallen hören können. Da tönte in das Schweigen ein leiser, doch scharfer und anhaltender knirschender Ton, der zu gleicher Zeit aus allen Ecken des Raumes hervor zu knarren schien.

»Warum – warum – warum, sage ich, machst du dieses Geräusch?« wandte sich der König wütend an den Zwerg.

Letzterer schien sich von seiner Betrunkenheit ganz erholt zu haben, er sah dem König scharf, doch ruhig ins Gesicht und sagte:

»Ich – ich? Wie könnte ich das getan haben?«

»Der Laut schien von außen hereinzudringen«, bemerkte einer der Höflinge. »Vermutlich war es der Papagei dort am Fenster, der seinen Schnabel an den Gitterstäben des Käfigs wetzte.«

»Möglich«, erwiderte der Herrscher und atmete befreit auf; »doch bei meinem Ritterwort, ich hätte schwören mögen, dass es das Zähneknirschen des Schurken hier war.«

Jetzt lachte der Zwerg (der König war ein zu eingefleischter Spaßmacher, als dass er irgendeinem das Lachen verübelt hätte) und enthüllte zwei Reihen großer, kräftiger, abstoßend wirkender Zähne. Überdies gab er seine völlige Bereitwilligkeit zu erkennen, so viel Wein zu schlucken, als man nur wünsche. Der König war befriedigt. Und nachdem Hopp-Frosch ohne ersichtlich üble Wirkung einen weiteren Becher geleert hatte, begann er sogleich und mit Eifer sich für die geplante Maskerade zu interessieren.

»Ich kann nicht sagen, wie die Ideenverbindung mir kam«, bemerkte er so ruhig, als habe er nie in seinem Leben einen Schluck Wein über die Lippen gebracht, »aber gerade nachdem Eure Majestät das Mädchen fortgestoßen und ihr den Wein ins Gesicht geschüttet hatten – gerade nachdem Sie das getan, und während der Papagei draußen am Fenster das seltsame Geräusch vollführte, kam mir ein köstlicher Spaß in den Sinn – einer der lustigen Streiche aus meiner Heimat und bei unseren Maskenfesten sehr beliebt – hier aber wird er sicherlich ganz neu sein. Leider jedoch gehören dazu genau acht Personen, und …«

»Hier sind wir ja!« rief der König und lachte über seine rasche Entdeckung der Zahlenübereinstimmung. »Genau acht Mann – ich und meine sieben Minister. Vorwärts! Erzähle uns deinen Streich!«

»Wir nennen ihn«, erwiderte der Krüppel, »die acht zusammengeketteten Orang-Utans, und gut ausgeführt ist er wirklich von großartiger Wirkung.«

»Wir wollen ihn ausführen«, bemerkte der König und stand mit schweren Augenlidern auf.

»Der Hauptwitz des Spiels liegt in dem Entsetzen, das es bei den Frauen verursacht«, fuhr Hopp-Frosch fort.

»Ausgezeichnet!« grölten der Monarch und seine Minister im Chor.

»Ich werde Sie also als Orang-Utans einkleiden«, sprach der Zwerg weiter. »Überlassen Sie alles mir. Die Ähnlichkeit wird so verblüffend sein, dass die ganze Maskengesellschaft Sie für wirkliche Tiere halten wird – und natürlich wird man ebenso entsetzt wie erstaunt sein.«

»Oh, das ist herrlich!« rief der König. »Hopp-Frosch! Aus dir will ich noch einen Mann machen!«

»Die Ketten dienen dazu, durch ihr Klirren die Verwirrung zu erhöhen. Es muss so scheinen, als seien Sie Ihren Wächtern ‚en masse‘ entronnen. Eure Majestät können sich gar nicht vorstellen, wie wirkungsvoll bei solch einer Maskerade acht zusammengekettete Orang-Utans sein müssten, da die meisten aus der Gesellschaft Sie für wirkliche Bestien halten werden, wenn Sie mit wildem Geschrei mitten zwischen all die prächtig und lieblich gekleideten Männer und Frauen hineinrasen. Der Kontrast wird unbeschreiblich sein.«

»Wir machen es unbedingt«, sagte der König. Und der versammelte Rat löste sich auf, denn es war schon spät, und man musste sich beeilen, den Plan Hopp-Froschs zur Ausführung zu bringen.

Sein Verfahren, den König und seine Vertrauten in Orang-Utans zu verkleiden, war einfach, aber für seine Zwecke wirkungsvoll genug. Die zur Darstellung zu bringenden Tiere waren zu der Zeit, in der meine Geschichte spielt, in der zivilisierten Welt noch kaum gesehen worden. Und da die von dem Zwerg vorgenommene Verkleidung wahrhaft scheußlich und bestienhaft war, war der Erfolg der Täuschung gesichert. 

Der König und seine Minister wurden zunächst in enganliegende braune wollene Hemden und Unterhosen gesteckt. Dann wurden diese mit Teer getränkt. Jetzt schlug einer Federn vor, aber der Zwerg verwarf diesen Vorschlag und überzeugte die acht, dass das Fell eines Orang-Utans weit naturgetreuer durch Flachs dargestellt werden könne. Eine dicke Schicht von letzterem wurde nun auf die Teerschicht festgedrückt. 

Dann brachte man eine lange Kette herbei. Sie wurde zuerst dem König um den Leib gelegt und festgeknotet; mit den sieben anderen Teilnehmern wurde genau ebenso verfahren. Als alle derart angekettet und so weit als möglich voneinander entfernt aufgestellt waren, bildeten sie einen Kreis; und um das Ganze recht naturgetreu erscheinen zu lassen, zog der Zwerg den Rest der Kette zweimal diametral durch den Kreis. Dies war ganz die Art, nach der noch heutzutage auf Borneo große Affen zusammengekoppelt werden.

Der große Saal, in dem das Maskenfest stattfinden sollte, war ein kreisrunder, sehr hoher Raum, der sein Licht durch ein einziges, im Mittelpunkt der Deckenwölbung angebrachtes Fenster erhielt. Bei Nacht – und besonders für Nachtfeste war der Saal bestimmt – empfing er sein Licht hauptsächlich von einem großen Kronleuchter, der an einer Kette von der Mitte des Kuppelfensters hernieder hing und wie üblich mittels eines Gegengewichtes herabgelassen und wieder hinauf gezogen werden konnte; doch hatte man letzteres aus Schönheitsgründen außerhalb der Kuppel über das Dach hinweggeführt.

Die Ausschmückung des Festgemachs hatte man Tripettas Oberaufsicht überlassen; in einigen Dingen jedoch hatte sie sich der überlegenen Umsicht ihres Freundes, des Zwerges, gefügt. Seinem Rate folgend, hatte man für diese Gelegenheit den Kronleuchter entfernt. Die Wachstropfen, die nicht zu vermeiden gewesen wären, würden der kostbaren Gewandung der Gäste sehr nachteilig gewesen sein, andererseits aber konnten in einem überfüllten Raum nicht alle Leute der Mitte – also dem Platz unter dem Kronleuchter – ausweichen. 

Zahlreiche Kandelaber wurden an den Wänden der Halle aufgestellt, und jeder der fünfzig bis sechzig Karyatiden wurde eine Wohlgeruch spendende Fackel in die rechte Hand gegeben.

Die acht Orang-Utans warteten auf Hopp-Froschs Rat mit ihrem Erscheinen geduldig bis Mitternacht, bis der Saal von Masken gedrängt voll sein würde. Kaum jedoch war der letzte Schlag der Mitternachtstunde verhallt, als sie hineinstürmten, vielmehr rollten – denn die hindernden Ketten rissen die meisten von ihnen zu Boden, und wer nicht hinfiel, stolperte.

Das Entsetzen der Maskengesellschaft war ungeheuer und füllte das Herz des Königs mit Entzücken. Wie man vorausgesehen hatte, gab es unter den Gästen nicht wenige, die diese grimmig aussehenden Wesen wenn auch nicht gerade für Orang-Utans, so doch für wilde Bestien hielten. 

Viele der Frauen wurden ohnmächtig vor Schreck, und hätte der König nicht die Vorsichtsmaßregel getroffen, das Waffentragen für diesen Abend zu verbieten, so hätten er und seine Gefährten den Schabernack wohl mit ihrem Blute büßen müssen. So aber trachteten alle, die Türen zu gewinnen; der König hatte jedoch Befehl gegeben, dieselben gleich nach dem Eintritt der Affenbande abzuschließen, und einer Anregung des Zwerges gemäß, hatte man diesem selbst die Schlüssel ausgeliefert.

Als der Tumult aufs höchste gestiegen und jeder Gast nur auf seine eigene Rettung bedacht war – denn das Gedränge war inzwischen lebensgefährlich geworden –, hätte man sehen können, wie die Kette, die sonst den Kronleuchter getragen hatte und die nach dessen Entfernung hinauf gezogen worden war, sich ganz allmählich herabsenkte, bis ihr Endhaken nur noch drei Fuß über dem Erdboden hing.

Bald darauf geschah es, dass der König und seine sieben Freunde, nachdem sie den Saal nach allen Richtungen durchtaumelt hatten, sich schließlich in dessen Mittelpunkt und selbstredend auch in naher Berührung mit der Kette befanden. 

Als sie so standen, ergriff der Zwerg, der ihnen stets gefolgt war und sie zu immer wilderem Gebaren angefeuert hatte, die Kette, an der sie gefesselt waren, genau an der Stelle, wo die beiden Diametrallinien zusammentrafen. Blitzschnell hängte er hier in das Mittelglied den Kronleuchterhaken ein, und augenblicklich wurde durch eine unsichtbare Kraft die Kronleuchterkette so hoch hinauf gezogen, dass der Haken nicht mehr erreichbar war. Diese Aufwärtsbewegung riss die Orang-Utans ganz nah zusammen, sie standen Gesicht an Gesicht gedrängt.

Inzwischen hatten die Maskengäste sich von ihrer Verblüffung erholt, sie begannen, das Ganze als einen wohl vorbereiteten Scherz anzusehen, und brachen über die sonderbare Situation der Affen in lautes Gelächter aus.

»Überlasst sie mir!« kreischte jetzt Hopp-Frosch auf, mit seiner schrillen Stimme all den Lärm übertönend. »Überlasst sie mir! Ich glaube, ich kenne sie. Wenn ich sie mir nur einmal recht anschauen könnte, ich würde euch gleich sagen, wer sie sind!«

Und über die Köpfe der Menge hinweg kriechend, gelangte er zur Saalwand, nahm einer der Karyatiden die Fackel aus der Hand, kehrte auf demselben Weg wie vorher in die Mitte zurück und sprang mit Affengeschwindigkeit dem König auf den Kopf und von da an der Kette hinauf. Ein paar Fuß über den Orang-Utans senkte er seine Fackel, leuchtete ihnen ins Antlitz und schrie von neuem: »Ich werde bald heraushaben, wer sie sind!«

Und jetzt, während alle Anwesenden – die Affen mit einbegriffen – sich vor Lachen schüttelten, ließ der Spaßmacher einen schrillen Pfiff ertönen; die Kette flog etwa dreißig Fuß empor und zog die bestürzten und um sich schlagenden Orang-Utans mit sich; da hingen sie nun zappelnd genau in halber Höhe des Saales. Hopp-Frosch, der sich an die Kette festgeklammert hatte, verharrte noch in derselben Stellung wie vorher; noch immer – so, als sei nichts geschehen – senkte er seine Fackel zu ihnen hinunter, als bemühte er sich, festzustellen, wer sie seien.

So völlig verblüfft war man von diesem plötzlichen Aufstieg, dass wohl eine Minute lang Totenstille herrschte. Da ertönte wieder das leise, scharfe, knirschende Geräusch, das zuvor dem König, als er Tripetta den Wein ins Gesicht schüttete, so seltsam aufgefallen war. Jetzt aber konnte kein Zweifel darüber sein, wo der Laut herkam. Er kam von den Raubtierzähnen des Zwerges: es war ein Knirschen aus seinem schäumenden Mund; sein Blick flammte mit dem Ausdruck wahnsinniger Wut in die aufwärts gewendeten Gesichter des Königs und seiner sieben Gefährten.

»Aha!« sagte der Spaßmacher. »Aha! Ich fange an zu begreifen, wer diese Leute sind!« Und wie um den König heller zu beleuchten, näherte er die Fackel dem Pelz, in dem jener steckte, so dass der Flachs augenblicklich in heller Garbe aufflammte. In weniger als einer halben Minute brannten die acht Orang-Utans lichterloh, und drunten kreischte die entsetzte Menge und starrte wie gebannt zu den flammenden Körpern empor, denen sie keine Hilfe bringen konnte.

Endlich wurden die aufwärts leckenden Flammen so heftig, dass der Narr, um ihnen auszuweichen, höher hinaufklettern musste, und diese Bewegung machte die Menge einen Augenblick lang stumm. Der Zwerg ergriff die Gelegenheit und sprach noch ein mal.

»Jetzt sehe ich deutlich«, sagte er, »welcher Art Leute die Maskierten sind. Es ist ein großer König mit seinen sieben Ministern – ein König, der sich kein Gewissen daraus macht, ein wehrloses Mädchen zu schlagen, und seine sieben Berater, die seiner schmachvollen Tat Vorschub leisten. Was mich anbetrifft, so bin ich nur Hopp-Frosch, der Spaßmacher, und das ist mein letzter Spaß.«

Infolge der hohen Brennbarkeit sowohl des Flachses wie des Teers war das Rachewerk schon vollbracht, als der Zwerg seine kurze Rede kaum beendet hatte. Die acht Leichname schaukelten in ihren Ketten – eine stinkende, geschwärzte, ekelhafte, unkenntliche Masse. Der Krüppel schleuderte seine Fackel auf sie herab, kletterte behende bis zur Decke empor und verschwand durch das Kuppelfenster.

Es ist anzunehmen, dass Tripetta, auf dem Dach des Kuppelsaales stehend, ihrem Freund bei seinem schauerlichen Racheakt Beihilfe leistete, und dass sie zusammen ihre Flucht in ihr Heimatland bewerkstelligten, denn beide wurden nie mehr gesehen.

Hopp-Frosch · Edgar Allan Poe · Fiktion


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Aventin