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Werther in der Schweiz – Eitelkeit

Werther in der Schweiz · Eitelkeit · Johann Wolfgang von Goethe

Was bildet man nicht immer an unserer Jugend! Da sollen wir bald diese bald jene Unart ablegen, und doch sind die Unarten meist eben so wichtige Organe, die dem Menschen durch das Leben helfen.

Was ist man nicht hinter dem Kind her, dem man einen Funken Eitelkeit anmerkt! Was ist der Mensch für eine elende Kreatur, wenn er alle Eitelkeit abgelegt hat! Wie ich zu dieser Reflexion gekommen bin, das will ich sagen.

Vorgestern gesellte sich ein junger Mensch zu uns, der mir und Ferdinand äußerst zuwider war. Seine schwachen Seiten waren so herausgekehrt, seine Leere so deutlich, seine Sorgfalt für das Äußere so auffallend, wir hielten ihn so weit unter uns, und überall war er besser aufgenommen worden als wir.

Unter anderen Torheiten trug er zum Beispiel eine Weste von rotem Atlas, die am Hals so zugeschnitten war, dass sie wie ein Ordensband aussah. Wir konnten unseren Spott über diese Albernheit nicht verbergen.

Er ließ alles über sich ergehen, zog den besten Vorteil daraus und lachte uns wahrscheinlich heimlich aus. Denn Wirt und die Wirtin, Kutscher, Knecht und Mägde, sogar einige Passagiere, ließen sich durch diese Scheinzierde betrügen und begegneten ihm höflicher als uns.

Er wurde zuerst bedient, und zu unserer größten Demütigung sahen wir, dass auch die hübschen Mädchen im Haus besonders nach ihm schielten. Zuletzt mussten wir noch die durch sein vornehmes Wesen teurer gewordene Zeche zu gleichen Teilen bezahlen.

Wer war nun der Narr im Spiel? Er wahrhaftig nicht!

Werther in der Schweiz · Eitelkeit · Johann Wolfgang von Goethe


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