Folgen der Dummheit

Folgen der Dummheit · Schildbürger · Europa und die ganze Welt

Dass man in Schilda keine Krebse kannte, wisst ihr ja schon. Dass man aber dort auch noch nie eine Katze gesehen hatte, ist wohl noch viel erstaunlicher. Um so besser wusste man mit Mäusen Bescheid. Sie waren nämlich in allen Kellern, Speichern und Küchen, in den Räucherkammern, beim Bäcker und nicht zuletzt beim Ochsenwirt.

Bei diesem kehrte nun eines Tages ein Wanderer ein, der eine Katze bei sich hatte. Da die Schildaer Mäuse auch nicht wussten, was eine Katze ist, waren sie sehr zutraulich, und in einer halben Stunde hatte die fremde Katze ganze zwei Dutzend Mäuse erledigt.

Die übrigen Gäste und der Wirt wollten nun wissen, wie das Tier heiße und wie viel es koste. »Maushund heißt es«, sagte der Wandersmann, »und weil Maushunde sehr selten sind, kostet mein Prachtexemplar hundert Gulden.«

Da liefen alle gleich zum Bürgermeister, erzählten ihm vom Maushund und baten, er möge ihn doch für die Stadt anschaffen.

So geschah dann es. Als der Wanderer die hundert Gulden bekommen hatte, machte er sich sehr schnell wieder aus dem Staub, falls die Schildbürger den Kauf doch bereuen sollten.

Kaum war er aus dem Stadttor hinaus, kam ihm auch schon einer nachgelaufen und wollte wissen, womit man den Maushund eigentlich füttern müsse. Der Wanderer rannte, was das Zeug hielt, und rief nur hastig zurück: »Nur Speck frisst er nie!« Da schlug der Schildbürger die Hände überm Kopfe zusammen und lief verzweifelt in die Stadt zurück. Er hatte nämlich in der Eile statt »Nur Speck frisst er nie« verstanden »Nur Menschen und Vieh!«

Das Entsetzen war jetzt groß. »Wenn wir keine Mäuse mehr haben werden, wird er unser ganzes Vieh und schließlich uns selber fressen!« riefen sie außer sich. »Wo hat er sich versteckt ?«

»Im Rathaus auf dem Speicher!« So umzingelten sie das Rathaus und schickten ein paar beherzte Männer hinein. Doch die Katze ließ sich nicht ergreifen. Sie kamen unverrichteter Dinge wieder zurück. »Dann müssen wir den Maushund ausräuchern«, rief der Bürgermeister. »Denn um wen wär’s mehr schade? Ums Rathaus oder um uns selbst?« Da schrien alle: »Um uns!« und steckten sofort das Rathaus in Brand.

Als es der Katze zu heiß wurde, kletterte sie aufs Rathausdach. Und als die Flammen die Dachbalken ergriffen, sprang sie mit einem Riesensatz aufs Nachbardach und putzte sich mit der Pfote den angesengten Schnurrbart.

»Schaut nur den Maushund an!« rief der Schmied. »Er droht uns!« Und der Bäcker murmelte zitternd: »Wir schmecken ihm schon.« Da zündeten sie auch das Nachbarhaus an. Und weil die Katze von Dach zu Dach sprang und die Schildbürger in ihrer Todesangst Haus um Haus anzündeten, brannte um Mitternacht die ganze Stadt.

Am nächsten Morgen lag Schilda in Schutt und Asche da. Alles war verbrannt. Nur die Katze nicht. Sie war vor Schreck in die Wiesen am Bach gelaufen und verschwunden. Nun saßen die Schildbürger auf den Trümmern ihrer Stadt und ihrer Habe, waren froh, nicht gefressen worden zu sein, und beschlossen schweren Herzens, in alle Himmelsrichtungen auszuwandern.

Das taten sie dann auch sehr bald. Und so kommt es, dass es heutzutage die Stadt Schilda nicht mehr gibt und die Schildbürger auch nicht. Das heißt: Es gibt sie natürlich noch. Nur ihre Enkel und Urenkel und deren Enkel und Urenkel leben über die ganze Erde verstreut. Sie wissen aber gar nicht mehr, dass sie von den Schildbürgern abstammen.

Viele stammen so von diesen Leuten ab, die sich, nur um glücklich zu werden, dumm stellten und dadurch ins große Unglück gerieten. Und die Nachfahren können dies auch gar nicht wissen. Denn heutzutage gelangen ja auch die Dummen zu Ruhm und Rang, zu Geld und Glück genauso wie die Gescheiten. Woran sollten also die Dummen in Europa und auf der ganzen Erde merken, dass sie dumm sind?

Ein einziges Merkmal gibt es, woran man die Dummen erkennt: Mit dem, was sie erreicht haben, sind sie selten, aber mit sich selber sind sie stets zufrieden! Und noch eins merkt euch: Menschen mit großer Unwissenheit machen meist auch große Fehler!

Gebt also gut Obacht! Bei den anderen – und bei wem noch?

Ganz recht, natürlich auch bei euch selbst!

Folgen der Dummheit · Schildbürger · Europa und die ganze Welt

Folgen der Dummheit · AVENTIN Storys

Folgen der Dummheit · Schildbürger · Europa und die ganze Welt - Dass man in Schilda keine Krebse kannte, wisst ihr ja schon.

URL: https://aventin.de/folgen-der-dummheit-schildbuerger/

Autor: N. N.

Bewertung des Redakteurs:
4

Immer wenn du auf etwas wartest, an der Kasse im Supermarkt, auf eine Verabredung, auf ein Update am PC, ergreife die Gelegenheit kurz nachzudenken, zu meditieren und dankbar zu sein. Alles hat seine Aufgabe und seinen Sinn.

Aventin