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Die Bombe · Wolfgang Altendorf

Die Bombe · Wolfgang Altendorf · Geschichte vom Feuerwerker

Der Feuerwerker hatte die Bombe entschärft. Er winkte uns, und der Herr Bürgermeister winkte mir, und wir traten nun an das Ungetüm heran.

Es lag da in seinem Erdloch, dickbäuchig und verrostet. Die Arbeiter vom Baugeschäft legten die Ketten des Flaschenzuges um die Bombe.

«Das ist der Zünder», sagte der Feuerwerker. Er erklärte ihn uns. Aber wir verstanden nicht viel davon. Wir sahen auf die Bombe, die nun schwebend aus dem Loch herauskam und zum Lastwagen geschwenkt wurde. Dem Feuerwerker stand der Schweiß auf der Stirn. Kleine Silberperlen, die nun im Luftzug wegtrockneten.

«War nicht weiter gefährlich», sagte er. Der Bürgermeister lud ihn für den Abend an unseren Stammtisch in den Ratskeller ein. «Es wird uns eine Ehre sein», sagte er zu dem Feuerwerker, «Sie heute Abend dort begrüßen zu dürfen». Ich lächelte dazu gewinnend.

An diesem Abend war unsere Stammtischrunde zum ersten Mal wieder vollzählig: der Bürgermeister, der Stadtinspektor, der Apotheker, der Arzt, der Volksschulrektor, der Notar und Rechtsanwalt und ich, der Verleger der Heimatzeitung. Wir warteten auf den Feuerwerker, und der Herr Bürgermeister erklärte den Herren die Wirkungsweise eines Bombenzünders.

Endlich kam der Feuerwerker herein. Wir erhoben uns alle von unseren Plätzen, und der Herr Bürgermeister ging ihm entgegen. Er führte ihn zu unserem Tisch und stellte uns der Reihe nach vor. Da wir uns schon kannten, lachten wir uns an und nickten uns zu. Der Herr Bürgermeister winkte dem Wirt. «Was wollen Sie trinken?» fragte er unseren Gast. Er bestellte sich ein Glas Bier.

Wir warteten, bis das Bier gebracht wurde. «Na, denn Prost!» sagte der Herr Bürgermeister, und wir hielten mit. Aber wir tranken alle Wein. Hier bei uns trinkt man abends am Stammtisch Wein oder Schorle. Der Feuerwerker trank das Bier zur Hälfte leer, griff dann ein weißes Taschentuch aus seiner Rocktasche und wischte sich die Lippen.

«He!» rief der Apotheker. «Ein Glück, dass wir das gefährliche Ding los sind». Wir stimmten ihm lebhaft zu. Denn seit kein Zweifel mehr daran bestanden hatte, dass unterhalb der Brücke ein Blindgänger steckte, war das Leben in unserer Stadt unsicher geworden.

«War unsere Bombe nun eigentlich ein schwieriger oder ein Normalfall?» fragte der Arzt.

«Es war ein schwieriger Normalfall», antwortete der Feuerwerker und trank sein Bier aus. Alle lachten.

«Sicher hatten Sie schon ganz andere Fälle, wie?» fragte der Herr Bürgermeister.

«Ich hatte einen Fall», antwortete der Feuerwerker, «den ich nie in meinem Leben vergessen werde!»

Wir blickten uns bedeutungsvoll an. Nun hatten wir den Mann also schon so weit, wie wir es uns erhofft hatten. Ich staunte etwas. Er hatte mir nicht den Eindruck eines Schwätzers gemacht.

«Ah», machte der Volksschulrektor. «Das ist interessant. Was war denn das für ein Fall?»

Natürlich würde der Feuerwerker jetzt verstummen. Aber der Rektor war von Berufs wegen direkte Fragen gewohnt, und man musste Nachsicht mit ihm haben. Jedoch ich täuschte mich. «Ja, wissen Sie», sagte der Feuerwerker, «das war so … Sie werden bald merken, warum ich Ihnen die Ortschaft nicht nenne, in der sich alles zutrug». Unsere Mienen drückten aus, dass es uns darauf nicht ankam.

«Es war kurz vor Schluss des Krieges», fuhr der Feuerwerker fort, «das heißt kurz vor Schluss des Krieges für diese Ortschaft. Sie liegt an der belgischen Grenze. Dort hatte der Krieg etwas früher aufgehört. Aber er war damals noch nicht vorbei, und ich erhielt eines Tages von meiner Dienststelle den Auftrag, hier einen Blindgänger zu entschärfen.

Ich dachte mir natürlich nichts weiter dabei, packte meine Sachen und fuhr los. Die Aufforderung hatte zudem nicht so dringlich geklungen. Anscheinend handelte es sich um einen harmlosen Fall. Es kam damals auch vor, dass wir wegen eines Benzinkanisters alarmiert wurden, die ja stromlinienförmig waren und wie Bomben aussahen. Ich meldete mich beim Bürgermeister der Ortschaft. «ist die Bombe frei gegraben?» fragte ich. «Ja, sie liegt frei», antwortete er, mitten auf dem Kirchplatz».

Er führte mich hin. Die Bombe lag fast genau in der Mitte des Kirchplatzes. Das war ein kleiner Platz direkt vor der Kirche. Man hatte sie mittels vier Eisenstangen und einer Feuerwehrleine abgesperrt.

«Wer hat die Bombe hier hingelegt?» fragte ich den Bürgermeister. Die Frage war durchaus berechtigt. Die Bombe lag auf dem Pflaster, ohne irgendwelche Spuren hinterlassen zu haben. Auf dem Rücken allerdings war sie etwas eingedrückt.

«Wer die da hingelegt hat?» fragte der Bürgermeister und lachte. «Die Amis, wer sonst?»

Ich besah mir die Bombe genauer. Sie gefiel mir nicht. Natürlich, das Leitwerk war verbogen und teilweise sogar abgeschlagen. Aber das Kopfsteinpflaster des Kirchplatzes wies keinerlei Beschädigung auf. «Wie ist das möglich?» fragte ich. «Sie liegt doch ganz so da, als habe sie irgend jemand von einem Lkw abgeladen und hier hingelegt».

«Nun, wir haben sie rauschen gehört» sagte der Bürgermeister. «Vergangenen Montag. Es hat ganz mächtig gerauscht. Kurz vor der Entwarnung. Die hatte wohl einer von den Burschen übrig gehabt. Und er wollte sie nicht mehr mit nach Hause nehmen».

«Herrgott!» rief ich. «Sie wiegt eine Tonne und hat folglich hier oben auf dem Pflaster nichts zu suchen. Sie hat mindestens drei Meter in der Erde zu stecken. Begreifen Sie das nicht?»

Der Bürgermeister kratzte sich am Hinterkopf. «Natürlich begreife ich das», antwortete er.

«Ist sie denn irgendwo abgebremst worden?»

«Davon ist uns nichts bekannt. Eine halbe Stunde nach der Entwarnung haben wir sie hier liegen sehen».

Ich stieg über die Absperrung und kniete neben der Bombe. Sie gefiel mir wirklich nicht. Sie lag da wie eine Klappmausefalle. Ich wusste, wenn ich sie nur mit dem Schraubenschlüssel berührte, würde sie springen. Man kann so etwas natürlich nicht sehen. Aber man spürt es, wenn man sich längere Zeit mit so was beschäftigt.

«Wir müssen sprengen», sagte ich zu dem Bürgermeister.

«Hat sie denn einen Zeitzünder?» fragte der Bürgermeister. Das fragt man mich übrigens jedesmal, wenn ich eine Bombe entschärfen soll. «Wenn sie einen Zeitzünder hätte», antwortete ich, und ich antworte das jedesmal auf eine solche Frage, «sähe es hier bereits ganz anders aus. Sie müssen die Häuser räumen lassen in dreihundert Meter Umkreis. Dann werde ich die Bombe genauer untersuchen!»

Das macht ja unseren Beruf so gefährlich. Nicht das Entschärfen. Nicht die Bombe oder die Mine. Das Misstrauen. Auch der Bürgermeister sah mich misstrauisch an. Ich wusste genau, was er in diesem Augenblick dachte. «Der hat Angst», dachte er. «Der will die Bombe nur deshalb sprengen, weil er Angst vor ihr hat».

Also musste ich die Bombe genau untersuchen. Obwohl ich wusste, dass sie so oder so gesprengt werden musste und dass jede Hantierung an ihr nicht nur mein Leben, sondern auch mancherlei anderes kosten konnte, musste ich sie genau untersuchen.

Während die Häuser geräumt wurden, suchte ich die nähere Umgebung ab. Irgendwo musste die Bombe ja in ihrem Fall abgebremst worden sein. Ich fand einige Kratzer auf dem Pflaster. Aber ich blieb doch so klug wie vorher. Das machte mir die Bombe noch unheimlicher. Kein Baum, keine umgeknickte Telegrafenstange, auch kein Dach, das sie durchschlagen hatte.

Hätte sie doch wenigstens die kleinste Mulde in das Pflaster gedrückt, wäre sie mir eine vertraute Bombe gewesen. Ich wurde nervös. Es war lächerlich. Ich dachte: Dieser Bombe da ist alles zuzutrauen, jede Hinterhältigkeit. Jede Schweinerei. Sie wird springen und mich in tausend Stücke reißen. Aber untersuchen musste ich sie. Untersuchen und anschließend meinen genauen Bericht machen, wenn mir dazu noch die Gelegenheit blieb.

Denn wenn man sprengen will, muss man das vorher melden und auch begründen. Und es besteht immer die Möglichkeit, dass ein zweiter Feuerwerker meinen Bericht dann an Ort und Stelle nachzuprüfen hat. Das ist das Misstrauen. Es hat schon manch einem das Leben gekostet.

Ich ließ also abdämmen, soweit das möglich war. Dann buddelte ich mir mein Loch. Das mache ich immer selber. Unmittelbar neben der Bombe und so, dass, wenn sie springt, die Sprengwirkung über das Loch hinweggeht. Manchmal hat man Glück und merkt es rechtzeitig, dass sie springen will. Manchmal kann man dann noch im Deckungsloch verschwinden. Und es gibt welche, die kamen dann auch mit heilen Knochen davon. Ich hab’s selbst noch nicht erlebt.

Nachdem alle Häuser geräumt worden waren, stieg ich in mein Deckungsloch und machte mich an die Arbeit. Bald war alles klar. Ein kleiner Schlag nur mit dem Schlüssel auf den Zündkopf, und sie würde springen. Ich gab meinen Bericht telefonisch durch. Es dauerte lange, bis ich die Verbindung mit meiner Dienststelle hatte. Ich erhielt sofort die Genehmigung zur Sprengung.

Wenn man eine Bombe gut abdämmt, kann eigentlich nicht viel bei so einer Sprengung passieren. Man muss die Sprengwirkung von einem gewissen Abstand her abzufangen versuchen, den Gasen eine gewisse Ausbreitungsmöglichkeit lassen, so dass die unmittelbare Sprengkraft sich selbst auffrisst.

Bei einer gut abgedämmten Bombe geschieht bei so einer Sprengung gar nichts. Hier flogen einige Fensterscheiben ein. Das war ganz einfach nicht zu verhindern. Aber ich glaube, man hätte sie nicht besser sprengen können. Trotzdem ließ die Bombe mich nicht los. Ich musste unbedingt dahinter kommen, was sie in ihrem Fall abgebremst hatte.

Da kam mir ein Anruf meiner Dienststelle gelegen. Ich wurde beauftragt, in der Ortschaft zu bleiben, da die Pioniere die Gegend nach weiteren Blindgängern absuchten. Ich sollte dann gleich zur Verfügung sein.

Nun beschäftigte ich mich also damit, Quadratmeter um Quadratmeter des Kirchplatzes abzusuchen. Ich ging allen möglichen Kratzern auf dem Kopfsteinpflaster nach und kam schließlich bis vor die Tür des Kirchturms. Plötzlich kam ein etwas verwachsener, hinkender Mann auf mich zu. «Ich weiß, was Sie suchen», sagte er.

«Nun, was denn?» fragte ich.

«Ich erzähle Ihnen alles», fuhr er fort, «wenn Sie mir versprechen, den Mund zu halten. Ich muss mit einem Menschen darüber sprechen. Und Sie sind nicht von hier. Vielleicht gehen Sie morgen schon wieder weg. Werden Sie Ihren Mund halten?»

Ich dachte zuerst, er sei verrückt. Ich vermutete in ihm den Dorftrottel und schielte zu den Häusern hin, ob dort nicht einer in seiner Tür stünde und über mich lachte. Aber der kleine bucklige Mann fuhr fort: «Ich hatte von Sonntag auf Montag Fliegerwache oben auf dem Kirchturm. Ich wurde ja nicht eingezogen», sagte er und hob seine verwachsene Schulter etwas.

«Ah? Ja, und?» fragte ich.

«Am besten», sagte er, «wir gehen mal nach oben. Jetzt kann ich’s nämlich wieder. Drei Tage lang hatte ich das Zittern in den Knien. Nun hab‘ ich’s überstanden».

Wir gingen die breite Wendeltreppe hinauf. «Es sind hundertdreiundsechzig Stufen», sagte der Bucklige. Im Glockenstuhl hingen sogar noch die Glocken. Man hatte sie nicht zur Metallsammlung abgegeben». Wir traten auf den offenen Balkon hinaus.

«Sehen Sie», sagte der Bucklige, «da!» überall, an der Brüstung und auf dem Boden, befanden sich Splitterungen. Eine größere Mulde im Boden des Balkons hatte wohl diese Splitterungen im Mauerwerk verursacht. «Die Bombe», sagte der Bucklige. Und dann erzählte er mir diese Geschichte …

Der Wirt brachte dem Feuerwerker ein frisches Glas Bier.

«Das war nun eine tolle Geschichte», fuhr der Feuerwerker fort. «Der Bucklige hatte also seine Fliegerwache in der Nacht vom Sonntag auf Montag hier oben auf dem Kirchturm. Er löste sich mit noch einem Krüppel zweistundenweise ab. Seine letzte Wache begann um drei Uhr morgens. Der Alarm dauerte fast die ganze Nacht hindurch an.

Um halb vier meldete der Drahtfunk den Rückflug der Bomberverbände. Sie donnerten staffelweise über den kleinen Ort hinweg nach Nordwest. Plötzlich kam nun das Rauschen auf. Der Bucklige trat in den Turm zurück. Er hatte Angst und ging einige Schritte die Stufen hinab. Ein fürchterlicher Luftdruck habe ihn gegen das Geländer gepresst, ihm den Atem benommen und fast die Besinnung geraubt.

Ein schwarzer Eisenkoloss sei in der Balkontür erschienen, wirbelnd und drehend. Er habe sofort begriffen, dass das eine Bombe war. Seine Beine seien ihm vor Schreck weggesackt. Er sei in die Knie gesunken. Die Bombe habe nun ihre wirbelnden Drehungen beendet und sei dann langsam auf die Treppe zugerollt. Sie habe sich nach vorn geneigt und sei Stufe für Stufe abwärts gepoltert. Erst jetzt habe sich seine Erstarrung gelöst.

In fliegender Hast versuchte der Bucklige nun vor der Bombe nach unten zu kommen. Hinter ihm dröhnte und polterte es. Stufe für Stufe plumpste die Bombe, sich immer mehr beschleunigend, die Kirchturmtreppe hinab! Wumm! wumm! wumm! wumm! Er drohte wahnsinnig zu werden vor Angst und nahm drei, vier Stufen auf einmal. Schon sah er den rettenden Ausgang vor sich, als ihm die Beine unterm Leib weggerissen wurden.

Dann rollte sie nach draußen, übers Pflaster hinweg, bis zur Mitte des Kirchplatzes, und blieb dort liegen.

Der Bucklige aber lag auf der letzten Treppenstufe, zitternd vor Furcht, hellwach und seine Lage überdenkend. Er hatte seinen Posten verlassen. Keine zehn Pferde aber würden ihn wieder auf diesen Turm hinaufbringen. So griff er sein Taschenmesser aus der Rocktasche und zerschnitt das Telefonkabel, das zum Geländer hinaufführte.

Eine halbe Stunde später kam der Bürgermeister mit dem Elektriker. «Ah, ich weiß», sagte der Bürgermeister, «das Telefonkabel ist irgendwo defekt! Sie wollten’s mir melden, wie?» Der Bucklige nickte. «Sie können übrigens unten bleiben. Die Ablösung kommt gleich. Passen Sie auf. Mitten auf dem Kirchplatz liegt ein Blindgänger».

Das erzählte mir der Bucklige. Es wäre mir lieber gewesen, er hätte es mir vor der Sprengung erzählt. Ich sagte zu ihm: «In einer Woche kommen die Amis, dann können Sie diese Geschichte jedem erzählen, dem Sie sie erzählen wollen. Es passiert Ihnen dann nichts mehr».

Aber der Bucklige winkte ab. «Im Grunde genommen ändert sich gar nichts», sagte er. «Und in fünf oder zehn Jahren, da wird man auf mich deuten und sagen: «Das ist der, der im Krieg ein Telefonkabel durchgeschnitten hat». Nein, Sie müssen mir versprechen, dass Sie, wenn Sie diese Geschichte jemandem weitererzählen, wenigstens unser Dorf nicht nennen. «Na, und das habe ich ja auch nicht getan», sagte der Feuerwerker.

«Hm», sagte der Apotheker, «wirklich, eine tolle Geschichte. Ja, mit Fliegerbomben kann man die merkwürdigsten Dinge erleben!»

Und nun ging es los. Jeder wusste eine Bombengeschichte. Die meisten stammten aus dem ersten Weltkrieg. Dem einen war eine Bombe vors Bett gerollt, dem anderen hatte sie den Frühstückstisch durchschlagen. Wir kamen in eine prächtige Stimmung.

Der Feuerwerker saß dabei, trank sein Bier, schwieg und hörte aufmerksam zu. Dann sagte er, er sei nun müde, verabschiedete sich von den Herren, und da mein Tag auch schon um fünf Uhr morgens beginnt und da wir einen gemeinsamen Weg hatten, begleitete ich ihn zu seinem Hotel.

Unterwegs kam ich auf seine Geschichte zurück, ich fragte ihn: «Haben Sie etwas dagegen, wenn ich Ihre interessante Geschichte in meiner Zeitung abdrucke, gegen Honorar natürlich? Ich glaube, ich habe sie mir in allen Einzelheiten gemerkt».

«Ich habe durchaus nichts dagegen», sagte der Feuerwerker. «Aber Sie sollen auch die Pointe dazu haben».

«Welche Pointe?» fragte ich ihn.

«Ja», sagte der Feuerwerker, «diese Geschichte ist nämlich gelogen, ich habe sie erfunden».

Ich holte tief Luft. «Weshalb haben Sie sie dann erzählt?»

«Ah», sagte er, «diese Geschichte erzähle ich jedesmal, wenn ich zu einem Stammtisch geladen werde. Man will von mir hören, wie das so ist, wenn man vor einer Bombe liegt und den Schlüssel ansetzt. Sie wollen von mir das Gruseln lernen. Hab‘ ich recht?»

Ich musste es ihm bestätigen. «Und das soll Abend für Abend so gehen. Vielleicht bis in die Nacht hinein. Ah, ich hab’s durchexerziert. Aber Ihnen will ich es sagen! Jedesmal, wenn ich den Schlüssel ansetze, habe ich nichts weiter als Angst. Und deshalb kann ich davon am Stammtisch nichts erzählen. Aus diesem Grund erzähle ich den Herren meine Bombengeschichte».

«Trotzdem werde ich sie drucken», sagte ich zu ihm.

«Aber ich sage Ihnen doch, sie ist erlogen».

«Macht nichts», antwortete ich. «Wie bei allen erfundenen Geschichten, so ist auch diese, dort nämlich, wo es darauf ankommt, wahr. Sie wissen es vielleicht nicht. Aber Sie haben uns mehr von sich erzählt heute Abend, als Sie vielleicht ahnen».

Er schwieg. Und da wir vor seinem Hotel angekommen waren, verabschiedeten wir uns. Sein Händedruck war fest und hart, die Schwielen seiner Hände rau und sehr vertrauenerweckend.

Die Bombe · Wolfgang Altendorf · Geschichte vom Feuerwerker

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Autor: Wolfgang Altendorf

Bewertung des Redakteurs:
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Glück ist nicht in einem ewig lachenden Himmel zu suchen, sondern in ganz feinen Kleinigkeiten, aus denen wir unser Leben zurechtzimmern.


Carmen Sylva