Der unglückliche Jäger · Gianni Rodari

Der unglückliche Jäger · Gianni Rodari · Giuseppe auf der Jagd

»Nimm das Gewehr, Giuseppe, nimm das Gewehr und geh heute zum Jagen!« sagte die Mutter am Morgen zu ihrem Sohn.

»Morgen heiratet ja deine Schwester und die will Polenta und Hasen zum Mahl haben.«

Da nahm Giuseppe das Gewehr und ging auf die Jagd. Sofort sah er einen Hasen, der gerade aus einer Hecke heraus sprang und auf ein Feld zulief.

Schnell richtete Giuseppe sein Gewehr aus, legte an und drückte ab.

Aber das Gewehr sagte nur: »Pum!«, wie mit einer menschlichen Stimme. Und anstatt eine Kugel abzuschießen, fiel ihm diese auch noch auf seine Füße.

Guiseppe hob die Kugel auf und sah sie ganz erstaunt an. Dann betrachtete er das Gewehr ganz genau. Es sah genauso aus wie immer.

Aber statt zu schießen, hatte es wirklich nur »Pum!« gesprochen und das mit einer fröhlich, frischen Stimme.

Giuseppe spähte sogar in den Lauf hinein. Wie sollte das Ganze nur möglich gewesen sein. Hat sich da vielleicht jemand einen Spaß erlaubt oder hat sich etwas im Lauf versteckt?

Aber im Inneren des Laufes gab es wirklich nichts und niemanden.

»Und was mache ich jetzt? Meine Mutter möchte einen Hasen braten und meine Schwester, die will zur Hochzeit einen Hasen mit Polenta essen…!«

In diesem Augenblick kam eine Häsin auf ihn zu. Sie hatte einen weißen Schleier auf dem Kopf mit orangefarbenen Blumen darauf.

Beim Gehen hielt sie ihre Augen ganz niedergeschlagen und sie ging mit winzig kleinen Schritten.

»Jetzt aber«, sagte Giuseppe zu sich selbst, »mir scheint sogar die Häsin will wohl heiraten. Daher ist Geduld angesagt. Ich werde einfach einen Fasan schießen.«

Ein Stück weiter im Wald sah er dann einen Fasan, der den Weg entlang lief und überhaupt nicht erschrocken war, als er Giuseppe sah.

»So ist es immer am ersten Tag der Jagd, wenn die Fasanen noch nicht wissen, was eine Jagd und ein Gewehr ist«, dachte er sich.

Sogleich legte er wieder an, drückte ab, und das Gewehr ging los.

»Pum!«, sprach das Gewehr: »Pum!«, zweimal sogar, wie ein Kind das mit seinem Holz-Gewehr spielt.

Und auch diese Patrone fiel wieder auf den Boden und erschreckte einige rote Ameisen, die sich schnell unter einer Tanne versteckten.

»Auch das noch«, dachte sich Giuseppe, der langsam wütend wurde. Mutter wird sehr unglücklich sein, wenn ich mit leeren Händen nach Hause komme.

Der Fasan, der das »Pum! Pum!« auch gehört hatte, versteckte sich schnell im Dickicht und tauchte dann aber mit vielen jungen Fasanen-Küken wieder auf.

Die Küken gingen alle in einer Reihe, lustig fröhlich lachend den Weg entlang und hinter ihnen die Fasanen-Mutter, stolz und glücklich, als ob sie irgendwo den ersten Preis erhalten hätte.

»Ach, du siehst aber glücklich aus mit deinen vielen Jungen«, murmelte Giuseppe. Du bist ja auch schon längst verheiratet und hast so viele Kinder. Aber was schieße ich jetzt?

Er lud erneut sein Gewehr mit großer Sorgfalt und sah sich wieder um. Aber da gab es nur eine Amsel auf einem Ast, und diese pfiff, als wollte sie sagen: »Schieß mich doch, schieß mich doch!«

Und Giuseppe schoss. Aber das Gewehr gab nur ein »Peng!« von sich, wie die Kinder es machen, wenn sie Comics lesen. Und es hörte sich beinahe wie Kichern an.

Die Amsel pfiff jetzt noch fröhlicher als zuvor, als wollte sie sagen: »Du hast geschossen und nichts getroffen, du mit deinem fingerlangen Bart.«

»Jetzt reicht es aber«, dachte sich jetzt Giuseppe! Für heute ist Schluss!

Als er dann nach Hause kam fragte ihn seine Mutter: »Und Giuseppe, hattest du eine gute Jagd?«

»Ja Mama« antwortete er verärgert: »Ich habe mir heute drei schöne, dicke Wutausbrüche (Arrabbiatas) eingeheimst. Ich frage mich nur, wie gut sie mit Polenta schmecken werden?«

Der unglückliche Jäger · Gianni Rodari · Giuseppe auf der Jagd · Arrabbiata

Der unglückliche Jäger · Gianni Rodari

Der unglückliche Jäger · Gianni Rodari · Giuseppe auf der Jagd · »Nimm das Gewehr, Giuseppe, nimm das Gewehr und geh heute zum Jagen!«

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Autor: Gianni Rodari

Bewertung des Redakteurs:
4