Am Teich

Am Teich · Parabel · Leben und Tod · China 

Als der Fürst Sun-Kai-Sen am Teich mit dem kristallklaren Wasser vorbei kam, sah er, dass ein Goldfisch leblos an der Oberfläche dahin trieb.

Sein Herz krampfte sich zusammen vor Schmerz, und er konnte sich vor Zorn nicht mehr halten.

»Wer hat die grausige Untat wagen können, mir einen Fisch zu ermorden?« donnerte er in den Umkreis seiner Höflinge hinein.

Schweigen antwortete ihm wie eine niederträchtig zusammen gerollte Schlange, und der Zorn stieg ihm weiter ins Gesicht.

»Wer?« brülle er wieder und zog sein Schwert aus der Scheide.

Da knieten alle Untertanen nieder, bereit, wortlos zu sterben, um den Feuerdrachen des herrscherlichen Zorns zu kühlen. Die Frauen verhüllten sich mit schwarzen Schleiern und flohen vom Palast.

Das Schwert fuhr nieder – eins über das andere Mal, und das ging so lange, bis fünfzig adlige Häupter im Staub lagen. Dann hielt der Fürst inne und bestimmte: »Fünfzig Leben kostet einer meiner heiligen Fische. Das ist von heute an die Gebühr.«

Nachdem der Fürst die ganze Nacht hindurch das Wehklagen und die Trauergesänge seiner Untertanen gehört hatte, spazierte er am anderen Morgen durch seine unendlich weitläufigen Gärten zum Teich hin, in der Absicht, sich am Anblick seiner Fische zu erlaben.

Aber was er dort sah, stürzte ihn für immer in das tückische Labyrinth ausweglosen Wahnsinns.

Im Wasser schwammen die Köpfe seiner sämtlichen Höflinge, und am Ufer lagen die Fische mit den rot glänzenden Schuppen und warteten darauf, dass er sein Urteil fälle.

Am Teich · Parabel · Leben und Tod · China

Ein Herz in Ruhe sieht in allem ein Fest.

Indisches Sprichwort