Träume eines Küchenmädchens

Träume eines Küchenmädchens · Bertolt Brecht

Meine Herren, heute sehen Sie mich Gläser abwaschen
Und ich mache das Bett für jeden.
Und Sie geben mir einen Penny und ich bedanke mich schnell
Und Sie sehen meine Lumpen und dies lumpige Hotel
Und Sie wissen nicht, mit wem Sie reden.
Aber eines Abends wird ein Geschrei sein am Hafen
Und man fragt, was ist das für ein Geschrei?
Und man wird mich lächeln sehn bei meinen Gläsern
Und man sagt, was lächelt die dabei?
Und ein Schiff mit acht Segeln
Und mit fünfzig Kanonen
Wird liegen am Kai.

Man sagt, geh, wisch deine Gläser, mein Kind!
Und man reicht mir den Penny hin
Und der Penny wird genommen
Und das Bett wird gemacht:
Es wird keiner mehr drin schlafen in dieser Nacht
Und Sie wissen immer noch nicht, wer ich bin.
Aber eines Abends wird ein Getös sein am Hafen
Und man fragt: was ist das für ein Getös?
Und man wird mich stehen sehen hinterm Fenster
Und man sagt: was lächelt die so bös?
Und das Schiff mit acht Segeln
Und mit fünfzig Kanonen
Wird beschießen die Stadt.

Meine Herren, da wird wohl Ihr Lachen aufhören
Denn die Mauern werden fallen hin
Und die Stadt wird gemacht dem Erdboden gleich
Nur ein lumpiges Hotel wird verschont von jedem Streich
Und man fragt: wer wohnt Besonderer darin?
Und in dieser Nacht wird ein Geschrei um das Hotel sein
Und man fragt: warum wird das Hotel verschont?
Und man wird mich sehen treten aus der Tür gen Morgen
Und man sagt: die hat darin gewohnt?
Und das Schiff mit acht Segeln
Und mit fünfzig Kanonen
Wird beflaggen den Mast.

Und es werden kommen Hundert gen Mittag an Land
Und werden in den Schatten treten
Und fangen einen jeglichen aus jeglicher Tür
Und ihn legen in Ketten und ihn bringen zu mir
Und mich fragen: welchen sollen wir töten?
Und an diesem Mittag wird es still sein am Hafen
Wenn man fragt, wer wohl sterben muss.
Und dann werden sie mich sagen hören: Alle!
Und wenn dann der Kopf fällt, sage ich: Hoppla!
Und das Schiff mit acht Segeln
Und mit fünfzig Kanonen
Wird entschwinden mit mir.

Träume eines Küchenmädchens · Bertolt Brecht · Ballade

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Träume eines Küchenmädchens · Bertolt Brecht · Meine Herren, heute sehen Sie mich Gläser abwaschen Und ich mache das Bett für jeden.

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Autor: Bertolt Brecht

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4


Es gibt überall Blumen für den, der sie sehen will.


Henri Matisse