Mönch und Ikonenmaler · Maghreb Sage · Hagiographie
In Maghrebinien gab es vor Zeiten einen Ikonen-Maler, der noch die hohe Kunst beherrschte, die Heiligen so darzustellen, wie es Vorschrift war von altersher.
Zu ihm kam einst der Mönch Simeon, und überbrachte ihm den Auftrag, eine Ikone zu malen, kostbar in Gold, Purpur und Karmesin.
Der Ikonen-Maler nahm den Auftrag an, forderte auch eine ungeheure Summe im voraus, erhielt sie und ließ nichts mehr von sich hören.
Nach zwanzig Wochen machte sich der Mönch Simeon wieder auf zu ihm, um zu erfahren, ob das Weihe-Bild denn fertig wäre.
Er fand aber den Ikonen-Maler inmitten der wilden Schar seiner Freunde besinnungslos betrunken vor und einige der Gäste begannen bereits aufzubrechen, denn der letzte Para (Münze) war offensichtlich schon versoffen.
Simeon wartete bis alle sich entfernt hatten und der Ikonen-Maler wieder zu sich gekommen war. Dann stellte er ihn zur Rede.
»Weiß du«, sagte der Ikonen-Maler, aus der Tiefe seines Rausches langsam zum Bewusstsein aufsteigend wie der Schwammtaucher zum Meerespiegel, »weiß du denn, Mönch, was es heißt, ein Bild zu malen?«
»Zwanzig Wochen lang habe ich von dem Geld, das du mir gegeben hast, gesoffen und im Höllenpfuhl des Lasters und der Völlerei gelegen. Nun werde ich zwanzig Wochen lang fasten und mich läutern. Und wenn Gott mir gnädig war und ich mich geläutert habe, dann werde ich in den Wald gehen und so lange und so tief werde ich gehen, bis unter den Bäumen des Waldes einer mich ruft. Und diesen Baum werde ich dann fällen und mir aus seinem Holz ein Brettchen schneiden.«
»Dann erst«, so sagte der Ikonen-Maler zum Mönch Simeon, »werde ich ein Brettchen haben, auf dem ich – wenn mir Gott weiter gnädig ist – versuchen werde, das Bild zu beginnen.«
Lehre: Gut Ding will Weile haben!
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Henry David Thoreau