Die weiße Dohle · Verkleidung · Aesop Fabel · Täuschung
Eine Dohle sah öfters zu, wie reichlich die Tauben auf einem Bauernhof gefüttert wurden.
»Sie bekommen das Futter einfach so hingestreut«, dachte sie neidisch, »während ich es mir mühsam suchen muss. Ich will auch lieber eine Taube sein!«
Was tat sie nun auch? Sie bemalte sich weiß vom Kopf bis zum Fuß, glättete ihr Gefieder und mischte sich so getarnt unter den Taubenschwarm. Vergnügt konnte sie jetzt die Körner aufpicken. Die Tauben ließen sie auch ruhig gewähren, denn keine ihn ihnen vermutete, dass dies ein fremder Vogel sei.
So ging das einige Tage ganz gut, bis die Dohle so unklug war, ihren Schnabel aufzutun und ihr Gekrächze hören zu lassen.
»Eine Dohle, eine verkleidete Dohle!« schrien die Tauben ganz wütend und aufgeregt. Und sogleich stürzten sie sich auf die Dohle und hätten sie auch beinahe gar unbarmherzig tot gebissen, wenn es ihr nicht gelungen wäre noch rechtzeitig zu entfliehen.
Reumütig kehrte die Dohle wieder zu ihrer Sippschaft zurück. Jedoch die anderen Dohlen erkannten sie jetzt auch nicht mehr in ihrem weißen Kleid. Bösartig hackten auch sie auf den scheinbar fremden Vogel los. Sie duldeten ebenfalls nicht, dass sie unter ihnen lebte.
So wurde die weiße Dohle schließlich heimatlos und hatte es noch viel schwerer, sich wie früher ihre Nahrung zu besorgen.
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