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Befürchtung – Kurt Tucholsky

Befürchtung · Kurt Tucholsky · Satire Leben und Tod

Befürchtung: Werde ich sterben können —?

Manchmal fürchte ich, ich werde es nicht können!

Da denke ich so: wie wirst du dich dabei aufführen?

Ah, nicht die Haltung – nicht das an der Mauer, der Ruf »Es lebe…« nur irgend etwas, während man selber stirbt.

Nicht die Minute vor dem Gasangriff, die Hosen voller Mut und das heldenhafte verzerrte Angesicht dem Feind zugewandt … nicht so. Nein, einfach der sinnlose Vorgang im Bett. Müdigkeit, Schmerzen und nun eben das. Wirst du es können?

Zum Beispiel, ich habe jahrelang nicht richtig niesen können. Ich habe geniest wie ein kleiner Hund, der den Schluckauf hat. Und, verzeihen Sie, bis zu meinem achtundzwanzigsten Jahr konnte ich nicht aufstoßen!

Da lernte ich Karl kennen, einen alten Korpsstudenten, und der hat es mir beigebracht. Wer aber wird mir das mit dem Sterben beibringen?

Ja, ich habe es gesehen. Ich habe eine Hinrichtung gesehen, und ich habe Kranke sterben sehen. Es schien, dass sie sich sehr damit plagten, es zu tun.

Wie aber, wenn ich mich nun dabei so dumm anstelle, dass es nichts wird? Es wäre doch immerhin denkbar! Oder etwa nicht?

»Keine Sorge, guter Mann. Es wird sich auf Sie herab senken, das Schwere. Sie haben eine falsche Vorstellung vom Tod. Es wird…«

Spricht da jemand aus Erfahrung? Dies ist die wahrste aller Demokratien, die Demokratie des Todes.

Daher die ungeheure Überlegenheit der Priester, die so tun, als seien sie alle schon hundertmal gestorben, als hätten sie ihre Nachricht von drüben. Und nun spielen sie unter den Lebenden einfach den Botschafter des Todes.

Vielleicht wird es aber auch gar nicht so schwer sein. Ein Arzt wird mir helfen, zu sterben. Und wenn ich nicht gar zu große Schmerzen habe, werde ich verlegen und bescheiden lächeln und sagen: »Bitte, entschuldigen Sie … es ist das erste Mal…«

Befürchtung · Kurt Tucholsky · Satire Leben und Tod


Die größte Entscheidung deines Lebens liegt darin, dass du dein Leben ändern kannst, indem du deine Geisteshaltung änderst.


Albert Schweitzer