Siddhartha · Vom Fluss lernen, dass es keine Zeit gibt
Freundlich lebte Siddhartha neben Vasudeva, und zuweilen tauschten sie Worte miteinander. Vasudeva war kein Freund der Worte, selten gelang es Siddhartha, ihn zum Sprechen zu bewegen.
»Hast du« so fragte er ihn einst, »hast auch du vom Fluss jenes Geheime gelernt: dass es keine Zeit gibt?«
Vasudevas Gesicht überzog sich mit hellem Lächeln. »Ja, Siddhartha«, sprach er. »Es ist doch dieses, was du meinst: dass der Fluss überall zugleich ist, am Ursprung und an der Mündung, am Wasserfall, an der Fähre, an der Stromschnelle, im Meer, im Gebirge, überall, zugleich, und dass es für ihn nur Gegenwart gibt, nicht den Schatten Zukunft?«
»Dies ist es«, sagte Siddhartha. »Und als ich es gelernt hatte, da sah ich mein Leben an, und es war auch ein Fluss, und es war der Knabe Siddhartha vom Manne Siddhartha und vom Greis Siddhartha nur durch Schatten getrennt, nicht durch Wirkliches.«
»Es waren auch Siddharthas frühere Geburten keine Vergangenheit, und sein Tod und seine Rückkehr zu Brahma keine Zukunft. Nichts war, nichts wird sein; alles ist und alles hat Wesen und Gegenwart.«
Siddhartha · Vom Fluss lernen, dass es keine Zeit gibt · Hermann Hesse
Die Bescheidenheit ist eine Eigenschaft, die vom Bewusstsein der eigenen Macht herrührt.
Paul Cézanne