Lied vom Wasserrad

Lied vom Wasserrad · Bertolt Brecht · Ballade

Von den Großen dieser Erde
melden uns die Heldenlieder:
Steigend auf so wie Gestirne
gehn sie wie Gestirne nieder.

Das klingt tröstlich, und man muss es wissen.
Nur für uns, die wir sie nähren müssen,
ist das leider immer ziemlich gleich gewesen.
Aufstieg oder Fall: wer trägt die Spesen?

Freilich dreht das Rad sich immer weiter
dass, was oben ist, nicht oben bleibt.
Aber für das Wasser unten heißt das leider
nur: dass es das Rad halt ewig treibt.

Ach, wir hatten viele Herren,
hatten Tiger und Hyänen.
Hatten Adler, hatten Schweine,
doch wir nährten den und jenen.

Ob sie besser waren oder schlimmer:
Ach, der Stiefel glich dem Stiefel immer.
Und uns trat er. Ihr versteht, ich meine
dass wir keine anderen Herren brauchen, sondern keine!

Freilich dreht das Rad sich immer weiter
dass, was oben ist, nicht oben bleibt.
Aber für das Wasser unten heißt das leider
nur: dass es das Rad halt ewig treibt.

Und sie schlagen sich die Köpfe
blutig, raufend um die Beute,
nennen andre gierige Tröpfe
und sich selber gute Leute.

Unaufhörlich sehn wir sie einander grollen
und bekämpfen. Einzig und alleinig
wenn wir sie nicht mehr ernähren wollen,
sind sie sich auf einmal völlig einig.

Denn dann dreht das Rad sich nicht mehr weiter,
und das heitre Spiel, es unterbleibt.
Wenn das Wasser endlich mit befreiter
Stärke seine eigne Sach betreibt.

Lied vom Wasserrad · Bertolt Brecht · Ballade

Lied vom Wasserrad · AVENTIN Storys

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Autor: Bertolt Brecht

Bewertung des Redakteurs:
4

Achtsamkeit ist nicht schwierig, wir müssen uns nur daran erinnern, achtsam zu sein.

Sharon Salzberg