Hochzeitsgeschenk · Parabel

Hochzeitsgeschenk · Parabel aus China · Einladung

Einmal hatten Brautleute in China nicht viel Geld, aber dennoch waren sie der Meinung, dass möglichst viele Menschen mitfeiern sollten.

Geteilte Freude ist doppelte Freude, dachten sie. Es sollte ein großes Fest werden, beschlossen sie, mit vielen vielen Gästen. Denn warum sollte unsere Freude nicht auch ansteckend sein für Andere? So oder so ähnlich fragten sie sich.

Es herrscht unter den Menschen ohnehin mehr Leid als Freude. Also baten sie die Eingeladenen, je eine Flasche Wein mitzubringen. Am Eingang würde sodann ein großes Fass stehen, in das sie ihren Wein gießen könnten; und so sollte jeder die Gabe des anderen trinken und jeder mit jedem froh und ausgelassen sein.

Als nun das Fest eröffnet wurde, liefen die Kellner zum großen Fass und schöpften daraus. Doch wie groß war das Erschrecken aller, als sie merkten, dass alles, was sie schöpften, nur Wasser war.

Versteinert saßen oder standen die Gäste nun da, als ihnen allen bewusst wurde, dass eben jeder gedacht hatte: »Die eine Flasche Wasser, die ich hinein gieße, wird niemand merken oder schmecken.«

Nun aber wussten sie, dass jeder so gedacht hatte. Jeder von ihnen hatte gedacht: »Heute will ich mal auf Kosten der Anderen feiern.«

Unruhe, Unsicherheit und Scham erfasste nun alle Gäste, nicht nur, weil es lediglich Wasser zu trinken gab. Und als um Mitternacht die Musik verstummt war, gingen alle schweigend nach Hause, und jeder wusste: »Das Fest hatte so eigentlich gar nicht stattgefunden.«

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