Die Truhe · Iwan Krylow

Die Truhe · Iwan Krylow · Gedicht

Gar häufig kommt uns vor der Fall,
dass man mit vielem Wissensschwall
sich quält, wo es nur gilt, ohne Zagen
die Sache selber zu befragen.

Vom Schreiner brachte man zu jemand eine Truhe.
Das saubere Stück war eine rechte Augenweide,
und jeglicher hat daran seine Freude.

Ein Jünger der Mechanik tritt hinzu;
der sieht die Truhe an und ruft: »Ah, ein Geheimnis!
Jawohl, sie hat kein Schloss …
nun, nun, ich öffne sie Euch ohne Säumnis.«

»Seht mich nicht an so groß!
Ich finde es schon heraus,
ich öffne Euch die Truhe,
in der Mechanik habe ich was los,
das lässt mir keine Ruhe.«

Er macht sich an die Truhe flugs,
er späht nach allem wie ein Luchs,
er quält sein Hirn, oh Jammer,
drückt auf ’nen Nagel bald
und bald auf eine Klammer.

Wer so sein Tun erblickt,
hält ihn für halb verrückt,
man flüstert und man lacht,
er aber murmelt immer sacht:
»Hier nicht, so nicht, da nicht.«

Sein Eifer wächst,
er schwitzt und schwitzt
und meint, es sei verhext.
Und wie seine Kraft zu Ende geht,
lässt er die Truhe, wie sie steht.

Die saure Mühe konnte ihn wohl verdrießen;
die Truhe war nämlich gar nicht zum Verschließen!

Die Truhe · Iwan Krylow · Gedicht

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Autor: Iwan Krylow

Bewertung des Redakteurs:
4


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