Baldurs Tod · Nordische Sage

Baldurs Tod · Nordische Sage · Gott germanischer Mythologie

Baldur, Odins und Friggas Sohn, war der schönste und edelste unter den Göttern. Der blühende Jüngling, der Gott des Lichtes und des Frühlings, des Guten und des Gerechten, wurde von allen Asen am meisten geliebt.

Eines Tages träumte die Göttermutter Frigga einen bösen Traum. Sie sah, wie Hel, die Todesgöttin, ihren Lieblingssohn Baldur entführte. Auch Baldur träumte, dass sein junges Leben von Gefahren bedroht sei.

Da beschwor Odin die uralte Wala, die Seherin der Hel, aus ihrem Grab, um sichere Kunde zu erfahren. Auf die Frage, wen man im Reich der Hel erwarte, erhielt er die Antwort: »Baldur, den Guten, erwartet man. Hödur, sein blinder Bruder, wird ihn töten.«

Die Asen und Göttinnen hielten, voll Sorge um das Leben ihres Lieblings, sodann Rat und fassten den Beschluss, dass alle Geschöpfe, die im Himmel und auf Erden sind, einen heiligen Eid schwören sollten, Baldur niemals etwas anzutun. Frigga selbst nahm Feuer und Wasser, Riesen und Elben, Menschen, Tiere und Pflanzen in strenge Eidespflicht.

Von nun an verfehlte jede Waffe, die man, um den neuen Bund zu erproben, gegen Baldur richtete, ihr Ziel. Ja es wurde zu fröhlicher Kurzweil unter den Asen, nach Baldur Geschosse zu werfen; doch keines traf ihn.

Am Rat der Götter hatte auch der verschlagene und ränkesüchtige Loki teilgenommen. Während die Götter nun mit Baldur ihr Spiel trieben, wandte er sich, als Bettlerin verkleidet, an die gütige Frigga und entlockte ihr ein Geheimnis.

Auf einer Eiche vor Walhallas Tor wuchs der Mistelstrauch. Diesen, so verriet Frigga, man hatte sie nicht schwören lassen, weil sie zu schwach und unbedeutend erschienen war.

Schnell entfernte sich Loki, nahm seine wahre Gestalt wieder an und eilte zur Eiche. Dort schnitt er einen kleinen Zweig der Mistelstaude ab und kehrte in den Kreis der Götter, die immer noch ihr fröhliches Spiel trieben, zurück.

Untätig abseits stand nur Baldurs Bruder, der blinde Hödur. »Wie soll ich denn mitspielen, da ich doch des Augenlichts beraubt bin?« versetzte er missmutig auf Lokis Frage.

»Spanne einfach den Bogen, hier ist ein Pfeil«, sagte Loki und reichte ihm den Mistelzweig, »ich werde für dich zielen!«

Der blinde Hödur tat nach dem Geheiß des bösen Gottes, und, wie vom Blitz getroffen, sank Baldur entseelt zu Boden.

So hatte sich die Weissagung der Wala grausam erfüllt.

Nur Odins Wort, dass Hödur ein dem Baldur vorherbestimmtes Schicksal vollzogen habe, schützte den Mörder vor der Rache der Götter.

Dann schickten sie sich auf Geheiß des Göttervaters an, Baldurs Leichnam zu bestatten.

Nie zuvor hatte in Asgard und auf der Menschenerde so tiefe Trauer geherrscht wie jetzt um Baldur, den lieblichen Gott.

Am Strand des Meeres hatten die Asen Baldurs Schiff aufgestellt und auf ihm den Scheiterhaufen errichtet. Als sie den Leichnam obenauf legten, konnte Nanna, die Gattin Baldurs, den Anblick nicht länger ertragen, und ihr Herz brach vor Gram. So betteten die Asen auch sie an Baldurs Seite.

Alle Götter gaben dem toten Sonnengott Worte der Hoffnung mit auf den Weg. Niemand jedoch weiß, was Odin dem edlen Toten ins Ohr flüsterte.

Thor legte die Flamme an den mächtigen Scheiterhaufen. Dabei stieß er ein Zwerglein, Lit mit Namen, das ihm vor die Füße kam, mit einem Tritt in die Flamme, dass es verbrannte.

Dann schoben die Riesen das Schiff in die Fluten und ließen es die hohe See gewinnen. Immer mächtiger griff im wilden Fahrtwind die Flamme um sich, und einer riesigen Opferfackel gleich jagte Baldurs Schiff zum letzten Mal über das Meer.

Als die Springflut gierig nach den brennenden Balken griff und ihre Glut in die Tiefe zog, war es den am Gestade harrenden Asen, als versinke die ganze Welt ringsum in Dämmerung.

Niemand trauerte mehr um Baldurs Tod als seine Mutter Frigga. War Baldur, der Frühlingsgott, den Asen und der Menschenwelt nun für immer entrissen? Sollte Hel, die Göttin des Totenreichs, sich nicht erweichen lassen, den Götterliebling freizugeben?

Auf Friggas inständige Bitten entschloss sich Hermodur, der Götterbote, seinen Bruder zu befreien.

»Ich gebe dir Sleipnir, mein Ross, für die lange Wegstrecke«, sagte Odin zu seinem Sohn, »es wird dich sicher ans Ziel führen, denn ihm ist der Weg bekannt.«

Neun Nächte ritt der Götterbote, bis der achtfüßige windschnelle Renner die Brücke, die zur Hel hinabführte, erreichte.

Hermodur wagte es kühn, in das Reich der Toten einzudringen. Bald sah er Baldur, den geliebten Bruder, schlafbefangen und bleich, an Nannas Seite sitzen. Er flüsterte ihm Worte des Trostes zu. Aber lange mühte sich der Götterbote vergeblich, die düstere Hel zur Milde zu stimmen. Mit eisiger Kälte blickte sie ihn an.

Dann ließ sie ihre Stimme vernehmen: »Wer gestorben ist, bleibt in meinem Reich. Auch Baldur gehört jetzt der Hel. Trotzdem will ich die Bitte der Götter erfüllen und ihm die Freiheit wiedergeben, wenn alle Geschöpfe der Welt, ob lebende oder tote, ihn beweinen. Verweigert auch nur ein einziges Geschöpf diesen Anteil der Tränen, so bleibt Baldur für alle Zeit im Reich der Toten!«

Hermodur eilte, zum Asenhof zurückzukehren. Baldur und Nanna gaben ihm Geschenke mit auf den Weg, die er Odin und Frigga mitbringen sollte.

Dort in Walhalla warteten alle voller Spannung auf den abgesandten Boten. Und voller Hoffnung sandte Frigga sogleich die Alben, ihre Boten, in die Welt hinaus, um alle Geschöpfe für Baldurs Heimkehr zu gewinnen.

»Denkt an meinen geliebten Sohn, den Frühlingsgott«, ließ sie ihnen sagen, »und weint über seinen Tod, so wird die Göttin der Unterwelt ihm die Heimkehr gewähren.«

Friggas Mühen schien nicht umsonst: alle Geschöpfe, zu denen ihre Boten kamen, waren voller Erbarmen und weinten um den toten Lichtgott. Schon machten sich die Alben auf den Heimweg.

Alle Wesen, sogar die starren Steine, hatten Anteil an Baldurs Schicksal gezeigt. Da trafen die Alben in düsterer Felsenhöhle eine grimmige Riesin, Thögg mit Namen, die hatte um Baldurs Tod keine Träne geweint, und kein Bitten und Flehen konnte sie rühren.

So blieb Baldur im Reich der Hel.

Nicht wenige der Asen, die mit Betroffenheit die Weigerung des finsteren Weibes vernahmen, glaubten, dass hier Loki sein Hass erfülltes Werk fortsetze.

Wo war der hinterhältige Mörder geblieben? Inmitten des Entsetzens, das bei Baldurs Ermordung alle gepackt hielt, hatte der heimtückische Loki entkommen können. Er floh nach Riesenheim und verbarg sich dort in einem einsamen Versteck.

Die Götter aber fanden seine Spur. Doch als sie sich dem Haus, dessen vier Fenster nach allen Himmelsrichtungen gingen, näherten, machte sich der verschlagene Loki eilig davon.

Er verwandelte sich, wie er es oft zu tun pflegte, in einen Lachs und verbarg sich unter einem Wasserfall. Vorher hatte er ein Netz, das er sich eben fertigt hatte, um zu erproben, ob man ihn damit fangen könne, ins Feuer geworfen.

Das wurde ihm nun zum Verhängnis, denn in der Asche erkannten die Götter noch die Form des Netzes und wussten, wo und mit welchem Mittel sie ihn fangen könnten. Mochte Loki sich auch immer wieder der Verfolgung entziehen, die Götter fingen ihn schließlich in den Maschen des von ihm erfundenen Netzes.

Die Rache der Asen war so schrecklich wie das Verbrechen, das Loki begangen hatte. Sie führten ihn auf eine Insel im Reich der Hel und schmiedeten ihn dort an einen scharfkantigen Felsen, so dass er kein Glied mehr regen konnte.

Über dem Haupt des Verräters befestigten die Rächer eine Natter, die ihm unablässig ihr Gift aufs Antlitz träufelte. Nur Sigyn, Lokis Gattin, teilte das schwere Los des Verdammten. Tag und Nacht saß sie neben dem Gefangenen und fing das Gift der Natter in einer Schale auf.

Doch wenn die Schale voll war und die treue Frau sich erhob, um sie auszuleeren, wurde Loki von brennendem Schmerz gequält. Dann wand er sich, dass ganz Midgard erschüttert wurde und die Erde erzitterte.

Dieses Erzittern nennen die Menschen heute noch Erdbeben. In solchen grausigen Nächten heult der Fenriswolf, und die Midgardschlange regt sich in der Tiefe des Meeres. Die Wogen des Meeres rauschen wild empor, und Sturmfluten branden wider den Wall, mit dem die Götter Midgard gegen die See geschützt haben.

Augenscheinlich aber treibt Loki immer noch sein (Un)Wesen.

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Autor: Nordische Sage

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Vergiss nicht man benötigt nur wenig, um ein glückliches Leben zu führen.

Marc Aurel