Im Nachen · Robert Walser · Himmel Sterne und Liebe

Ich glaube, ich habe diese Szene schon mal geschrieben, aber ich will sie noch einmal schreiben.

In einem Nachen, mitten auf dem See, sitzen ein Mann und eine Frau. Hoch oben am dunklen Himmel steht der Mond. Die Nacht ist still und warm, recht geeignet für das träumerische Liebesabenteuer.

Ist der Mann im Nachen ein Entführer? Ist die Frau die glückliche, bezauberte Verführte? Das wissen wir nicht; wir sehen nur, wie sie beide sich küssen. Der dunkle Berg liegt wie ein Riese im glänzenden Wasser. Am Ufer liegt ein Schloss oder Landhaus mit einem erhellten Fenster. Kein Laut, kein Ton.

Alles ist in ein schwarzes, süßes Schweigen gehüllt. Die Sterne zittern hoch oben am Himmel und auch von tief unten aus dem Himmel herauf, der im Wasserspiegel liegt. Das Wasser ist die Freundin des Mondes, es hat ihn zu sich herabgezogen, und nun küssen sich das Wasser und der Mond wie Freund und Freundin.

Der schöne Mond ist in das Wasser gesunken wie ein junger kühner Fürst in eine Flut von Gefahren. Er spiegelt sich im Wasser, wie ein schönes liebevolles Herz sich in einem anderen liebesdurstigen Herzen widerspiegelt.

Herrlich ist es, wie der Mond dem Liebenden gleicht, ertrunken in Genüssen, und wie das Wasser der glücklichen Geliebten gleicht, umhalsend und umarmend den königlichen Liebsten. Mann und Frau im Boot sind ganz still. Ein langer Kuss hält sie gefangen. Die Ruder liegen lässig auf dem Wasser.

Werden sie glücklich, werden sie glücklich werden, die zwei, die da im Nachen sind, die zwei, die sich küssen, die zwei, die der Mond bescheint, die zwei, die sich lieben?

Im Nachen · Robert Walser · Himmel Sterne und Liebe · Story

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Im Nachen - Robert Walser · AVENTIN Storys

Im Nachen · Robert Walser · Himmel Sterne und Liebe · Ich glaube, ich habe diese Szene schon mal geschrieben.

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Autor: Robert Walser

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