Abendland · Kultur und Leben · Paul Debes
Abendland · Kultur und Leben: Albert Schweitzer äußerte sich, als er seinen Friedens-Nobel-Preis in Empfang nahm folgendermaßen:
»Der technische Fortschritt hat den Menschen zum Übermenschen gemacht. Der Übermensch aber leidet an einer unheilvollen Unvollkommenheit des Geistes. Aus diesem Grund sind die Siege der Wissenschaft und der Technik für ihn eher zum Unheil als zum Vorteil geworden.
Die durch die Atomspaltung frei gewordene Kraft bedroht die Existenz der ganzen Menschheit. Wir werden unmenschlich in dem Maße, wie wir Übermenschen werden.
Der Schreck der Erfahrung, dass wir an der Unmenschlichkeit selbst schuld sind, sollte daher unsere Wünsche und Hoffnungen auf ein Ziel einrichten, durch einen neuen Geist jene höhere Vernunft zu erreichen, die uns daran hindern wird, die Macht, die in unsere Hände gefallen ist, zu missbrauchen.«
Ja, jährlich wird der Nobelpreis für Werke des Friedens und für andere große Taten verliehen, aber der Name »Nobel« steht auch im Zusammenhang mit jenem Dynamit, das den beiden abendländischen Weltkriegen eine maßlose Vernichtungskraft verlieh.
Wir haben Eisenbahnen, Autos und Flugzeuge entwickelt und gebaut, um noch schneller an unsere vielfältigen Ziele zu kommen, die für alle die Erfüllung ihrer Sehnsucht bedeuten. Aber wir haben inzwischen auch erfahren müssen, dass die schnellsten Gefährte uns nicht zu der Erfüllung bringen, die wir uns wünschen.
Wenn wir nur untersuchen würden, in welchem Umfang Eisenbahnen, Autos und Flugzeuge für gute, friedliche und förderlichen Zwecke eingesetzt werden und in welchem Maße für Krieg und Vernichtung, dann würden wir wohl mehr als erschrecken.
Mit einem Hammer kann man sowohl aufbauen, als auch demontieren und die Technik kann im Sinne von Förderung und Fortschritt auch zur Zerstörung eingesetzt werden. Wir müssen erkennen, dass die technischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte leider nicht nur Förderliches hervor gebracht haben.
Aber auch die Keimzellen unserer Gesellschaft, die Familien, leiden unter all dem negativen Fortschritt. Sie sind nicht mehr die Stätten des inneren und äußeren Gedeihens, der Quell von Sicherheit, Ruhe und Kraft.
Die Aufmerksamkeit der Eltern ist immer mehr auf den Kampf um die Existenz, auf die durch Geld käuflichen Dinge, auf eigene Interessen und weniger auf die Familie selbst und die Bedürfnisse der Kinder ausgerichtet.
Viele Kinder werden heutzutage viel zu früh in den Kinderhort gegeben, werden weniger selbst versorgt, sind innerhalb der Familie weniger geborgen und befriedigt und leben in seelischem Hunger und in seelischer Not. Deren Bedürfnisse werden zudem mit mehr Geld abgegolten als mit Liebe.
Deshalb gehen solche Kinder später auch immer mehr ihre eigenen Wege, zuerst in Heimlichkeit und Lüge, dann aber auch sehr bald ganz offen. So sehen wir heute die Jugend immer mehr Reizungen und Versuchungen ausgeliefert, sie wissen nicht, was sie mit ihrer Freizeit anfangen sollen und leiden immer mehr an Ziellosigkeit.
Die Weisheit bei den Menschen ist offensichtlich heimatlos geworden. Seelische und geistige Krankheiten greifen auf unheimliche Weise immer mehr um sich.
Es wäre daher dringend nötig, dass durch einen neuen Geist wieder mehr Vernunft und Verantwortung eintreten möge, der unsere Gesellschaft daran hindert, die Macht des Übermenschen zu missbrauchen und Unheil über die Menschheit zu bringen.
Abendland · Kultur und Leben · Paul Debes · Essay
Abendland: Kultur und Leben von Paul Debes

Abendland · Kultur und Leben: Albert Schweitzer äußerte sich, als er seinen Friedens-Nobel-Preis in Empfang nahm folgendermaßen ...
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Autor: Ave
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