Ariadne auf Naxos

Ariadne auf Naxos · Griechische Sage · Theseus und Bacchus

Nachdem Theseus seinen Vater Aigeus in Athen getroffen hatte, musste er bald wieder weiter und ein neues Abenteuer bestehen: die Tötung des Minotaurus auf Kreta, bei dem ihn Ariadne mit einem roten Faden unterstützte.

Alsdann schiffte er sich mit Ariadne wieder nach Athen ein, mit einem Zwischenaufenthalt auf der Insel Naxos. Doch als Ariadne am nächsten Morgen aufwachte, ist sie allein am Strand …

Heftig beunruhigt, irrte sie zunächst lange auf der Suche nach Theseus umher und stieg dann schließlich auf einen Berg, denn sie hoffte, von diesem Platz aus ein besseres Blickfeld zu haben.

Tatsächlich erblickte sie weit draußen auf dem Meer das Schiff des Theseus. Da rief sie von größtem Hass entflammt: 

»Oh du schlechtester Mann aller Zeiten, wilde Tiere besitzen größeres Mitleid als du. Wohin fliehst du, du Verbrecher? Kehre zu mir zurück! Mit einzigartiger Grausamkeit hast du mich auf einer Insel ausgesetzt, auf der weder Menschen noch menschliche Bildung zu Hause sind. Bis jetzt habe ich noch keine Menschen und auch kein Vieh gesehen. 

Du hast mich arg getäusch, als du sagtest: Immer wirst du von mir geliebt werden, solange wir beide leben werden. Bin ich denn etwa schon tot? Ich weiß nicht, ob es jetzt besser ist zu leben oder wirklich tot zu sein, denn mein künftiges Leben wird wohl sehr traurig sein. 

Weder habe ich die Möglichkeit, in die Heimat zurückzukehren, noch die Fähigkeit, Athen aufzusuchen. Nachdem unsere Liebe ausgelöscht ist, fürchte ich den Tod nicht mehr. Aber was höre ich? Durch die kleinste Sache der Welt werde ich schon erschreckt. Wer weiß, ob diese Erde hier nicht  Löwen ernährt? Wer weiß, ob unzivilisierte Menschen mich vielleicht töten werden? 

Falls ich tatsächlich auf dieser Insel sterben und in die Unterwelt hinab steigen werde, wird mich niemand vermissen, niemand wird mich beweinen. Du jedoch wirst bei deiner Rückkehr in die Heimat mit den größten Ehren aufgenommen werden. Alle werden Theseus wegen seiner großartigen Taten rühmen. Mit übergroßem Stolz wirst du vom Minotaurus und den Gefahren des Labyrinths erzählen, über mich aber wirst du nichts sagen. 

Weder Aigeus noch Aithra sind deine Eltern, sondern harte Felsen haben dich zur Welt gebracht. Die Nachkommen jedoch werden nach Ablauf großer Zeiträume eine schlechte Meinung von dir haben! Wenn du nicht willst, dass dies geschehen wird, wende das Schiff! Siehst du denn nicht, wie ich demütig bittend die Hände ausstrecke? Höre also meine Bitten, du Grausamer!«

Theseus hörte diese todunglücklichen Bitten nicht. Er selbst stand traurig auf seinem Schiff; nicht freiwillig, sondern auf Veranlassung des Bacchus hatte er Ariadne verlassen. Der Gott nämlich wollte die wunderschöne Ariadne für sich selber gewinnen und heiraten.

Ariadne auf Naxos · Griechische Sage · Theseus und Bacchus

Gefühle kommen und gehen wie Wolken am Himmel. Das achtsame Atmen ist mein Anker im Hier und Jetzt.

Thích Nhất Hạnh