Mond und Teufel · August von Löwis

Mond und Teufel · August von Löwis · Märchen aus Norwegen

Altvater hatte schon die ganze Welt erschaffen, aber noch war sein Werk nicht vollkommen, wie es sein sollte, denn es mangelte der Welt an reichlichem Licht. Des Tages wandelte die Sonne ihre Bahn am himmlischen Zelt, aber wenn sie abends unterging, so deckte tiefe Finsternis Himmel und Erde. Alles, was geschah, verbarg sodann die Nacht.

Schon bald sah der Schöpfer diesen Mangel und gedachte, dem abzuhelfen. So gebot er dem Ilmarinen, dafür Sorge zu tragen, dass es fortan auch in den Nächten auf Erden hell sei. Ilmarinen gehorchte dem Befehl, trat hin zu seiner Esse, wo er vordem schon des Himmels Gewölbe geschmiedet hatte, nahm viel Silber und goß daraus eine gewaltige runde Kugel.

Diese Kugel überzog er mit dickem Gold, setzte ein helles Feuer hinein und hieß sie ihren Wandel am Himmelszelt zu beginnen. Darauf schmiedete er noch unzählige Sterne, gab ihnen mit leichtem Gold ihr Ansehen und stellte jeden an seinen Platz im Himmelsraum.

Da begann neues Leben auf der Erde. Kaum sank die Sonne, da stieg auch schon am Himmelsrand der goldene Mond auf, zog seine blaue Straße entlang und erleuchtete das nächtliche Dunkel fast nicht anders als die Sonne den Tag. Dazu blinkten neben dem Mond noch unzählige Sterne und begleiteten ihn wie einen König, bis er endlich am anderen Ende des Himmels anlangte.

Dann gingen die Sterne zur Ruhe, der Mond verließ das Himmelsgewölbe, und die Sonne trat wieder an ihre Stelle, um dem Weltall und der Erde Licht Leben und Liebe zu spenden. So leuchteten nun Tag und Nacht ein nahezu gleichmäßiges Licht von hoch oben auf die Erde nieder. Denn des Mondes Angesicht war ebenso klar und rein wie der Sonne Antlitz, und nur gleicher Wärme ermangelten seine Strahlen.

Am Tag brannte aber die Sonne oftmals so heiß, dass niemand eine Arbeit verrichten mochte. Um so lieber schafften die Menschen dann unter dem Schein des nächtlichen Himmelswächters, und alle waren von Herzen froh über das Geschenk des Mondes.

Den Teufel aber ärgerte der Mond gar sehr, denn in seinem hellen Licht konnte er nichts Böses mehr treiben. Zog er einmal auf Beute aus, so erkannte man ihn schon von fern und trieb ihn mit Schanden wieder fort. So kam es, dass er in dieser Zeit auch nicht mehr als zwei Seelen erbeuten konnte.

Da saß er nun Tag und Nacht und sann darüber nach, wie er es wohl anstellen könnte, damit ihm reichliche Beute wieder glücken würde. Endlich rief er noch zwei seiner Gesellen herbei, aber die wussten auch keinen Ausweg. So ratschlagten sie zu dritt voller Eifer und Sorge, aber es wollte ihnen keine Lösung einfallen.

Am siebten Tag nun hatten sie keinen Bissen mehr zu essen, saßen seufzend da, drückten ihren leeren Magen und zerbrachen sich die Köpfe ganz arg mit Nachdenken. Und siehe da, auf einmal kam dem Bösen selbst ein glücklicher Einfall.

»Wir müssen den Mond einfach wieder fortschaffen, wenn wir uns retten wollen. Gibt es keinen Mond mehr am Himmel, dann sind wir wieder die Helden wie zuvor. Beim matten Sternenlicht können wir sodann wieder unbesorgt unsere Werke betreiben!«

»Sollen wir denn den Mond vom Himmel herunter holen?« fragte einer der Knechte.

»Nein«, sprach der Teufel, »der sitzt zu fest dort oben, den bekommen wir nicht herunter! Wir müssen was anderes machen. Das Beste wird wohl sein, wir schmieren ihn einfach mit Teer voll, bis er ganz schwarz ist. Dann mag er am Himmel seinen Weg laufen, wie er will.«

Den Höllenknechten gefiehl der Rat des Alten und sie wollten auch gleich ans Werk gehen. Aber es war schon spät geworden, denn der Mond neigte sich bereits zum Niedergang, und die Sonne war gerade dabei ihr Angesicht zu erheben.

Am anderen Tag schafften sie sodann alle mit großem Eifer an ihrer geplanten Arbeit bis zum späten Abend hin. Der Böse war ausgezogen und hatte eine Tonne Teer gestohlen, die trug er in den Wald zu seinen Knechten.

Diese waren den ganzen Tag damit beschäftigt, aus 666 Holzstücken eine lange Leiter zusammen zu bauen, und ein jedes Stück maß sieben Klafter. Dazu schafften sie einen großen Eimer herbei und banden aus Bast einen großen Schmierwisch zusammen, den sie an einer lange Stangen befestigten.

So erwarteten sie voller Aufregung die kommende Mondnacht. Als dann der Mond aufging, warf sich der Böse sogleich die Leiter samt der Tonne auf die Schulter und hieß die beiden Knechte mit Eimer und Schmierwisch folgen. Als sie auf einem nahen Berg angekommen waren, füllten sie den Eimer mit Teer, schütteten noch schwarze Asche hinzu und tauchten den Wisch hinein.

Im selben Augenblick lugte auch schon der Mond hinter dem Wald hervor. Hastig richteten sie die Leiter auf, der Alte gab dem einen Knecht den Eimer in die Hand und hieß in hurtig hinaufsteigen, indes der andere mit ihm die Leiter festhalten sollte.

So hielten sie nun unten beide die Leiter, der Alte und sein Knecht. Der Knecht aber hatte nicht so viel Kraft wie der Teufel, so dass die Leiter heftig zu wanken begann. Da glitt der Mann, der nach oben gestiegen war, auf einer Sprosse aus und stürzte samt vollem Eimer auf den Teufel herunter.

Da prustete der Böse und schüttelte sich wie ein Bär und fing an furchtbar schrecklich zu fluchen. Dabei vergaß er ganz auf die Leiter, ließ sie los, so dass diese mit lautem Donner und heftigem Krachen vom Himmel zu Boden fiel und in tausend Stücke zerbrach.

Als sie ihr Übel sahen, dass der Böse selbst anstatt des Mondes jetzt ganz voll von Teer begossen da stand, tobte dieser in seinem Zorn und Grimm noch viel viel mehr. Wohl wusch und scheuerte, kratzte und schabte er seinen ganzen Leib von oben bis unten, aber Teer und Ruß blieben an ihm haften, und die ganze schwarze Farbe trägt er noch bis zum heutigen Tag.

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Autor: August von Löwis

Bewertung des Redakteurs:
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Es gibt nichts auf der Welt, das einen Menschen so sehr befähigt, Schwierigkeiten zu überwinden, als das Bewusstsein eine Aufgabe zu haben.

Viktor Frankl