Adler und Sperber

Adler und Sperber · Aesop Fabel · Tatendrang und blinder Eifer

Zu einem Sperber sagte einst prahlerisch ein Aar: »An Schärfe meines Blickes kann sich kein Tier mit mir vergleichen!«

»Wohl möglich«, entgegnete der Sperber, »doch lass uns einmal in die Lüfte steigen, um es zu erproben!«

Der Adler war damit zufrieden, und beide schwangen sich in den Äther empor und kreisten über einem großen Tal voller Äcker und Wiesen.

»Siehst du die Körner dort ausgestreut tief unten auf dem Acker?« fragte der Aar seinen Begleiter.

»In dieser Entfernung willst du die Körner sehen?« fragte spottend der Sperber.

Statt zu antworten, nahm der Adler im Schnellflug Kurs hinab auf den Acker. Jauchzend stürzte er sich dort auf die vielen Körner, die in großer Anzahl über die kahle Erde verstreut lagen.

Aber ehe er sich versah, hatte er sich schon im Netz eines Vogelfängers verfangen. Von dem hatte er in seinem blinden Eifer überhaupt nichts gemerkt.

Der Sperber, der ihm bereits auch schon etwas gefolgt war, erblickte nun aus halber Höhe den Adler als Gefangenen, der sich vergeblich bemühte, sich vom Netz zu befreien.

Da dachte der Sperber bei sich: »Was hilft der schärfste Blick, wenn man blind ist gegen Gefahren, die uns mit Verderben bedrohen!«

Adler und Sperber · Aesop Fabel · Tatendrang und blinder Eifer

Du kannst dir nicht aussuchen, wie du stirbst. Oder wann. Du kannst nur entscheiden, wie du lebst. Jetzt.

Joan Baez